Verdammt lang ist’s her, dass ich in einem Jazzkonzert war. So ungefähr ein halbes Leben, kommt mir vor. Gestern wurde es dann höchste Zeit, dieser sonderbaren und ganz und gar unerklärlichen Abstinenz Adé zu sagen – und so landete ich im Grillo mitten im neuen Programm von Erika Stucky and the Bubble Family.
Tanzt sie zur Musik oder agiert sie als Ganzkörperdirigentin? Sind die Videos Hintergrund oder Ausgangspunkt der Show? Aber mit entweder/oder, simpler Ursache/Wirkungs-Sucherei kann man einem solchen Gesamtkunstwerk eh nicht gerecht werden. Also – wie soll man Töne, Bilder und Gerüche dieser ungewöhnlichen Show bloß mit Worten beikommen?
Diesen Nebeneffekt von Jazz hatte ich in all den Jahren komplett vergessen: Dass ich mir mit aller Wortakrobatik, aller Erzählkunst, aller Pinselschwingerei daneben blass und ungelenk vorkomme (und mich überdies auch noch einsam fühle. Scheißschreibtischkünste. Blöder Atelierkram. *schmoll*). Und bei Erika Stucky, der amerikanisch-schweizer Künstlerin, die überall auf der Welt, in so vielen Sprachen und diversern Genres zuhause zu sein scheint, gilt das um so mehr.
Aber, macht nix, ich bin ja gestern zum Zuhören ins Grillo gegangen – um dann überrascht festzustellen, da geht’s auch um die anderen Sinne. Sparsames Licht konzentiert aufs Wesentliche (oder die Leinwand. Oder den jeweiligen Solisten) bzw. die eigenen Vorstellungen. Percussions machen den Anfang (passiert oft, denk ich mir, oder das war zumindest nichts überraschendes nach fast zwei Jahrzehnten Livejazzabstinenz). Dass aber dann Weihrauch durch den Saal wabert und die restlichen Musiker durch eben jenen zur Bühne schreiten, Raumklang mithin etwas ganz konkretes ist in dem Moment – damit hatte ich nicht gerechnet.
Wer geht auch schon zum Rechnen ins Theater (blöder Witz. Denn selbst wenn klassische Musik oder auch Musik im allgemeinen mit Mathematik zu tun hat, um Rechenübungen geht’s dabei nicht) – ich schweife ab – aber auch das passt. Jazz ist die Kunst, beim Entstehen, Zerlegen, Neukombinieren von Musik zuzuschauen. Entstehungs- und Vergehensprozesse der Musik. Das mag ich dran.
Dazu die unglaubliche Stimme von Erika Stucky, die verrückten Texte, die wilden Einfälle (toll: Across the Universe mit Bohemian Rhapsody gemischt ergibt ein Bubblefamilienbild in Musikform). Da rede äh schreib ich bloß noch Blödsinn, dabei hätte ich ihr liebend gerne noch viel länger zugehört.
Womit eines mal klar wäre: Bei nächster Gelegenheit hock ich wieder im Grillo zwecks Jazzgenuss. Und vielleicht lern ich dann, darüber verständlich zu schreiben statt wild zu stammeln?