Konzertnotiz: Bia Ferreira

Am Wochenende eröffnete Bia Ferreira die Reihe „Women’s Voice“ in der Essener Philharmonie mit einem mitreißenden und in jeder Hinsicht diversen Konzert, was es schwer macht, es adäquat zu beschreiben. Zumindest, was die musikalische Vielfalt ihrer MMP – Música de Mulhar Preta (Black Woman Music) angeht, denn politisch positioniert sich die brasilianische Künstlerin und LQBQT-Aktivistin absolut eindeutig.

Sie selbst nennt sich „artivistin“, und genau das liefert ihr Konzert auch: Englischsprachige Ansprachen ans Publikum, in denen es um Feminismus, Homphobie, Rassismus und Postkolonialismus geht, liefern teils die Hintergründe zu den Songs, teils den persönlichen Rahmen. Manches davon erschien mir redundant, auch wenn ich die Anliegen verstehe, ja teile und nachvollziehen kann, dass sie die Bühnen nutzt. Außerdem bin ich kein Fan von Aufforderungen zum Mitmachen und Mitsingen, weil ich ungern in der Öffentlichkeit singe, mich also zugleich überfordert, überrumpelt und manipuliert fühle. Mein Ding, gewiss, genau wie meine tiefe Abneigung gegen das beinahe ekstatische Gemeinschaftsgefühl, das bei solchen Gelegenheiten oft entsteht: die Menschen, die es teilen, mag es in diesem Moment glücklich machen, bei mir gehen alle Alarmglocken an, weil ich plötzlich von einer Masse umgeben bin, die mir in ihrem Überschwang zu so ziemlich allem bereit erscheint, im Schönen und Guten wie auch in jeder anderen Hinsicht …

Bedauerlich war für mich, dass ich kein Portugiesisch spreche. Denn angesichts von Ferreiras rhetorischen Fähigkeiten im Englischen und vor allem der unglaublich komplexen und spannenden Rhythmen, die sie mit den verschiedensten Mitteln erzeugt, bin ich mir sicher, dass ihre Lyrics sprachlich großartig sein müssen (und ja, ganz genau, dies ist ein Wink mit dem Zaunpfahl an alle Übersetzer*innen aus dem Portugiesischen, macht euch bitte ans Werk!). Ferreira spielt Gitarre auf so viele Arten, das muss man gehört und gesehen haben. Ihre facettenreiche, starke Stimme ist so mitreißend wie ihre Persönlichkeit; sie sprüht nur so vor Energie, das ist wunderbar mitzuerleben. Das lässt die Konzertbestuhlung der Essener Philharmonie zwischendrin wie ein Korsett, wie Fesseln für die Menschen im Publikum wirken. Wie schön, dass stellvertrend die Bassisitin Fabiola „Bibi“ Nobre den ganzen Abend auf ihrem Podest sozusagen durchtanzt …

Schade, dass nicht noch mehr Menschen den Weg in die Philharmonie fanden, im zugegeben ziemlich großen Alfred-Krupp-Saal war jenseits des Parketts noch ziemlich viel frei. Also wünsche ich der Konzertreihe „Women’s Voice“ für die folgenden Konzerte noch mehr Aufmerksamkeit und mir die Chance, vielleicht noch die eine oder andere Künstlerin hier live zu erleben.

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