Norwegen ist nicht nur berühmt für seine Fjorde und Berge, es ist obendrein ein wichtiger Energieerzeuger in Europa. Und so ist der heutige Interessenpunkt keine Idylle und nichts Historisches, sondern die große LNG-Anlage vor Hammerfest – nicht schön, aber nützlich, so könnte man es vielleicht zusammenfassen, obwohl die orangefarbenen Tanker, mit denen das Flüssiggas zu seinen Abnehmern transportiert wird, mich an überdimensioniertes Spielzeug denken lassen.
Dass diese Gasverflüssigungsanlage die größte in Europa ist, ist unbestritten. Um den Titel „nördlichste Stadt der Welt“ streitet sich Hammefest allerdings mit Honingsvåg. Das hat zwar viel weniger Einwohner, war aber schneller und nutzte eine Lücke in der ohnehin vagen Definition, was eine Stadt ist, aus, um allen anderen Bewerbern zuvor zu kommen.
Wir besuchten in Hammerfest zuerst das Wiederaufbaumuseum. Hammerfest war im zweiten Weltkrieg ein Versorgungshafen der Wehrmacht und wurde, wie weite Teile der gesamten Finmark, von dieser erst zwangsevakuiert, dann niedergebrannt und dem Erdboden gleichgemacht, bevor die Sowjettruppen anrückten. Wie schon zuvor in Kirkenes erfuhren wir auch hier, dass dennoch viele Norweger die Deutschen in guter oder zumindest nicht in ausschließlich schlechter Erinnerung haben wegen dem, was sie davor aufgebaut hatten. Unsere Reiseführer, ein deutscher Lehrer, den die Liebe in den hohen Norden zog, brachte es mit dem Humor der Norweger so auf den Punkt: „Man ist als Deutscher hier willkommen, bekommt allerdings Streichhölzer erst verkauft, wenn man fünf Jahre hier wohnt.“
Die nächste Station unserer Stadtrundfahrt war der Hausberg, von dem aus man eine grandiose Aussicht auf die Stadt und den Hafen, der ihr den Namen gab (Hammer bezeichnet im Altnordischen wohl Ankerplatz, an dem man eben sein Schiff festmacht) hat. Wenig überraschend gehört die LNG-Anlage zu den größten Arbeitgebern der Stadt (neben dem Krankenhaus, dem einzigen im Umkreis von 500 km). Allerdings heizt hier niemand mit Gas, wie eine mitreisende Dame fälschlich annahm, sondern mit Wärmepumpen. Die sieht man in Norwegen praktisch an jedem Haus, egal, wie alt und wenig isoliert es sein mag. Ob das denn auch im Winter ausreichen würde, war eine weitere Frage. Natürlich, es werde ja praktisch nie Minus 20 Grad kalt, also käme man so gut wie immer auf die norwegische Wohlfühltemperatur von 25 Grad in der Wohnung. Was bei 4 Cent pro Kilowattstunde zudem beneidenswert günstig ist. Ich liebe an den Norwegern also neben dem Humor ihren zupackenden Pragmatismus. Schade, dass sie nicht mit dem LNG auch diese beiden Eigenschaften nach Deutschland exportieren können. Wir könnten’s dringend gebrauchen.
Die letzte Station unseres Landausflugs war die Meridian-Säule, die zum Unesco Weltkulturerbe gehört. Sie ist die nördlichste von einer ganzen Vielzahl solcher Säulen, die Punkte markieren, mit deren Hilfe der Mathematiker Struve die Abflachung der Erdkugel an den Polen über die Berechnung der Erdoberfläche berechnet hat — lange vor GPS & Co. und eben als erster.
Dann ging es zurück aufs Schiff und wir setzten unsere Reise Richtung Süden fort.