Ganz schön schwierig: Wie schreibe ich über einen Theaterabend, der sich selbst „Showtime (ein enttäuschender Abend)“ nennt, in dem es ums Scheitern und um Enttäuschung geht, der aber durch und durch mitreißend ist? Am besten, ich fange mit den Fakten an: Das Stück, geschrieben und inszeniert von Felix Krakau, hatte gestern Abend in der Essener Casa Premiere, und Universalschauspieler David (Christopher Heisler) fesselte das Publikum von der ersten bis zur letzten Sekunde.
Dabei ist der „nur“ der Springer, der 50 klassische und 50 moderne Rollen drauf hat und normalerweise versucht, erkrankte Kollegen an jedem Theater so perfekt zu ersetzen, dass man ihr Fehlen im Idealfall gar nicht bemerkt. Ein Schauspieler, dessen erklärtes Lebensziel darin besteht, unsichtbar zu bleiben, der an diesem Abend dann allerdings das Problem hat, dass er allein den Totalausfall eines Musicals wettmachen soll. Was sich aus dieser Anfangssituation entspinnt, ist ein rasanter Abend, an dem viel gelacht wird – Scheitern kann bekanntlich hochkomisch sein -, und dem doch eine eigene Tragik zugrundeliegt, die berührt. Ich jedenfalls lachte Tränen und war momentweise aus geradezu zwingendem Mitgefühl den Tränen nah.
Da ist zum einen sicher dem Stück selbst geschuldet, dessen Verlauf teils aberwitzige Wendungen hat, die bei aller Überraschung am Ende stets überzeugend sind. Zum anderen ist es jedoch Christoph Heisler, der als Universalschauspieler David alles so aussehen lässt, als ergäbe es sich genau jetzt in diesem Moment wie von selbst. Jede Handlung, jeder Text, stets scheint eins organisch aus dem anderen zu entstehen – und ihm dabei zuzuhören und zuzuschauen, ist der reine Genuss. Ganz gleich, in welche Rolle er schlüpft, ihm glaubt man sie alle, ob sie nun urkomisch übertrieben sind wie der berühmte Intendant oder nah an seiner Figur David samt Sinnkrise und Zusammenbruch angelegt.
Felix Krakaus Stück mag an „Heute kein Hamlet“ erinnern, wo ein einsamer, alter Vorhangzieher den Ausfall von Shakespeares Stück kompensiert und dabei durchaus komisch die tragische Geschichte seines (gescheiterten) Lebens erzählt. Vielleicht könnte man „Showtime“ sogar als eine Antwort auf das Stück lesen, mit jungem Protagonisten und optimistischem Ende. Aber darum geht es nicht. „Showtime“ ist ein Abend, der zeigt, wie viel Ausdruck, wie viele Gedanken und Gefühle, wie viele Stimmungen und Situationen ein einzelner Schauspieler auf die Bühne und vor allem in die Herzen des Publikums zu bringen vermag. Dass es ihn dabei immer wieder hin- und herreißt, etwa zwischen hierbleiben, bei diesem Publikum oder aufbrechen nach Lippstadt, wo er den nächsten Abend retten soll, sorgt womöglich erst recht dafür, dass es die Zuschauer mitreißt.
Am Ende gab es verdient begeisterten Applaus für Stück, Inszenierung und vor allem für Christopher Heisler. Deshalb: unbedingt reingehen. Am besten, wenn’s in der Casa auf dem Programm steht, wo Protagonist und Publikum einander schon rein räumlich sehr nah sind.