Spazierbande?

Zurück vom wolkenverhangenen Spaziergang im Wäldchen um die Ecke wartet auf dem Schreibtisch Carsten Henns „Der Buchspazierer“ darauf, von mir erwandert, pardon: beschrieben zu werden.

"Der Buchspazierer" von Carsten Henn auf einem Holzfußboden liegend.

Ein Buch für Menschen, die gern und viel lesen, die sich in die erzählten Geschichten einkuscheln wie in eine Lieblingsdecke, so kommt mir Henns Roman vor. Irgendwie passend, dass er im Coronajahr 2020 zuerst erschien und rasch ein Spiegelbestseller wurde, denn Bücher als Seelentröster, die konnten da sicherlich viele gebrauchen.

Es geht um Bücher in diesem Buch, um einen alten Buchhändler, der ganz speziellen Kunden ihre Bücher als Buchspazierer nach Hause trägt und damit ein Stück weit deren Verbindung zur Welt an sich ist. Es geht auch um ein kleines Mädchen, das sich dem Buchspazierer anschließt und nicht nur den alten Mann nach und nach dazu bringt, sich ihr zu öffnen, sondern ebenso die Herzen seiner besonderen Kundinnen und Kunden erobert. Und es geht wohl nicht zuletzt darum zu zeigen, wie sich Menschen und Bücher gegenseitig retten oder doch retten können – und nebenbei geht es immer wieder um andere Bücher, um Werke der Weltliteratur zumeist, die zitiert und in die Geschichte verwoben werden.

Angesiedelt in einer namenlosen, aber höchst pittoresken Stadt in einer undefinierbaren Zeit, die der Gegenwart ähnelt, aber keine Smartphones oder Onlinebuchhandlungen kennt, hat die Geschichte etwas Märchenhafte (was sich für mich auch an der Figur der bellenden Katze festmacht, die den Buchspazierer oft begleitet, der sie Hund nennt). Erzählt wird der Roman aus einer auktorialen Haltung heraus, von einem allwissenden Erzähler, der jeder Figur über die Schulter und ins Herz blicken kann, auch wenn er überwiegend dem Buchspazierer Carl durch die Gassen der fiktiven Stadt folgt, die so detailreich beschrieben werden, dass ich immer wieder an ein liebevoll gestaltetes Wimmelbild denken musste (zumal diese gerade als Computerspiele ja auch die Tendenz haben, irgendwie leicht entrückt zu sein – ob nun ins Fantastische oder eine gute alte Zeit).

Dieses Buch in Zug und Hotel zu lesen, als ich unterwegs war zu einer Lesung (in einem kleinen, attraktiven Dorf nahe einem hübschen Städtchen im Westerwald, das leider einen Hauch zu klein war, um es sich als Handlungsort des Buches vorzustellen), hatte was. Vor allem, weil das Buch ein Weihnachtsgeschenk meiner Mutter war und ich eine Weile lang keine Lesungen für Erwachsene mehr gemacht hatte, sodass ich überraschend Besuch vom Lampenfieber bekam, und froh über wohlmeinende Begleitung war.

Von daher: wer Bücher mag und gerne liest, wer vielleicht gerade Trost sucht oder auch häufig des nachts liest und garantiert keine Albträume heraufbeschwören will, wird mit diesem Buch gewiss eine gute Zeit verbringen. 🙂

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