Ist es nicht merkwürdig, dass sich hinter schnöden Abürkzungen oft dramatisches verbirgt? Das passt irgendwie zu den ungeahnten Abgründen unserer nächtlichen Wohnung, in der mich der Schaukelstuhl um 3 Uhr k.o. schlug.
Und das kam so: Nachhdem ich den Abend brav mit hochgelegtem Fuß auf dem Sofa verbracht hatte, war ich früh zu Bett gegangen und erstaunlich gut eingeschlafen. Dann weckte mich meine Blase. Also Entlastungsschuh angezogen, UGH (Unterarmgehhilfen, vulgo Krücken) geschnappt und sehr vorsichtig losgegangen, denn der operierte Fuß schmerzte. Plötzlich sackte mein Kreislauf weg —
— und als nächstes höre ich meinen Mann fragen, ob ich etwas umgestoßen hätte. „Nein“, sage ich, und frage mich, wie er darauf kommt, wo ich doch ganz friedlich hier herumliege. Dann bemerke ich, „hier“ ist gar nich das Bett, sondern der Fußboden, ein Stück Teppich und etwas sehr Hartes, Unbequemes. „Ach du Scheiße“, entfährt es mir, und schon ist mein Mann neben mir.
Erst will ich nicht aufstehen, dann will ich kein Licht, dann ist mir kalt, aber schließlich gelingt es ihm, mich zur Toilette zu bringen. Und da wird klar, die Schwäche bleibt, das schaffe ich nicht, er holt den Rettungswagen. Was dauert, erstmal nicht bis holprig läuft, ich bin nämlich an der engsten Stelle der Wohnung und kippe auf dem Weg aus dem Bad gleich nochmal um, erst der später eintreffende Notarzt legt mir einen Zugang, etc. und mein Mann ist derjenige, der mich am Ende auf den Tragestuhl hievt.
Irgendwie kommen wir die Treppe runter, so laut, dass ich mich draußen aufblickend wundere, dass nirgends im Haus Lichter an sind. Dann geht es mit dem RTW in die Zentrale Notaufnahme Nord der Uniklinik.
Inzwischen friere ich so, dass ich am ganzen Körper zittere. Ich bekomme eine Decke im RTW, eine zweite in der ZNA Nord, immerhin, ich kann die Fragen ohne Zähneklappern beantworten. Aber das EKG wird genauso durchgeschüttelt wie ich. Weil meine Pupillen nicht ganz gleich groß sind – als sei an meinen Augen nach Endokriner Orbitopathie und drei OPs irgendwas gleich -, gibt’s ein CT vom Kopf und zu den kardiologischen Untersuchungen noch neurologische dazu. Alle sind freundlich, alle geben sich Mühe, ich bin genau da, wo ich in diesem Moment sein sollte. Hier wird mir geholfen und weil mein Mann schlau genug war, mir mein Handy in einer Tasche mitzugeben, kann ich nun ihn informieren und beruhigen, denn anrufen kann man von außen in der ZNA wohl nicht.
Am Ende ist alles Dramatische ausgeschlossen. Ob es am Novalgin lag, eine Nachwirkung von OP und Narkose war, die mir schwarz vor Augen werden ließ, bleibt offen. Und ich habe nun zum schmerzenden, operierten Fuß einen verkrampften Nackenmuskel, ein blaues Kinn und eine blutige Lippe sowie Hände und Unterarme, in denen es dauernd irgendwo anders sticht.
Moment – blaues Kinn, Cut in der Lippe? Und dann wird es mir klar: Als ich kollabierte, knallte ich wohl mit dem Kinn auf den „Fuß“ des Schaukelstuhls, holte mir den Cut und ging k.o. Wusste gar nicht, dass dieses sonst so friedliche Möbel Boxerqualitäten hat. Ganz schön verrückt. Ich hoffe, der Rest meiner Rekonvalsezenz verläuft sehr viel langweiliger.