Sketches in Pen and Ink“ hat Herausgeberin Lia Giacheto die Sammlung mit Texten von Vanessa Bell überschrieben und das passt. Die meisten sind tatsächlich so etwas wie skizzierte Memoiren, geschrieben für den ‚Memoir Club‘, dem Bell wie ihre Schwester Virginia Woolf und viele weitere ‚Mitglieder‘ der Bloomsbury Group angehörten. Und obendrein finden sich natürlich diverse Skizzen und Holzschnitte der Künstlerin in dem Band.
Auch, wenn Vanessa Bell immer wieder betont, sie sei keine Schriftstellerin, sie ist eine hervorragende Beobachterin und gewährt in ihren essayartigen Texten intime Einblicke in ihr Leben und ihre An- und Einsichten in die Leben ihrer Lieben. Gewiss, an vielen Stellen merkt man, dass sie dabei nicht unbedingt eine Veröffentlichung im Sinn hatte, sondern vieles für den ‚Memoir Club‘ geschrieben ist – also für Menschen, denen die Themen und Personen, um die es geht, vertraut sind. Aber es ist ja nicht ihre Schuld, dass Clive Bell, Roger Fry, Duncan Grant, etc. mir weitgehend nur als Umfeld von Virginia Woolf und Teil der Bloomsbury Group bekannt sind. Und vielleicht ist es ja eine gute Sache, dass die Lektüre so auch eine Aufforderung wird, sich doch noch einmal systematischer mit all diesen Menschen und ihren Werken zu befassen.
Auf jeden Fall ist das Buch etwas besonderes, denn Vanessa Bell gehörte zu den Künstlerinnen, die sich ausschließlich in ihrer Kunst ausdrücken, nicht aber über diese theoretisieren oder sich anderweitig schriftlich verbreiten. Und so fragte ich mich bei der „Lecture Given at Leighton Park School“, ob das so etwas wie das Manifest ihres Schaffens enthält: nicht im ironischen Beharren auf dem als Künstler ‚Madman‘, sondern in der Vorstellung, dass es in der Kunst weniger auf das Handwerkliche, also die Fähigkeiten der Hand, ankommt, als auf das Sehen, das wahrhaftige und auch sensible Wahrnehmen der physischen Welt.
Allemal schade ist es, dass von dieser Künstlerin, die so sehr Malerin wie Buchkünstlerin oder auch Designerin von Kleidung und Möbeln nicht nur als Co-Direktorin des Omega Workshops war, nur so wenige Werke online zu sehen sind und sich derzeit Reisen nach England an die Orte ihres Wirkens verbieten.
So oder so – für mich ist „Sketches in Pen and Ink“ ein Buch, das Lust auf Mehr macht. Und das ist immer ein gutes Zeichen.