„Spiel auf vielen Trommeln“ von Olga Tokarczuk ist ein schmaler Erzählband, der sich spröde zurückhalten gibt mit seinem weiß-grauen Einband, der Tore öffnet in geheimnisvolle Welten und zu fremden Ansichten. Für mich war er überdies die erste Begegnung mit dem Schaffen der Literaturnobelpreisträgerin des Jahres 2018.
Nun haben Erzählbände es so an sich, dass man sie, anders als Romane, oft gar nicht erst versucht, möglichst in einem Rutsch zu lesen, sondern sie gern auch mal häppchenweise genießt: Hier mal eine Geschichte zum Nachmittagstee, eine weitere auf dem Sofa am Abend und die nächste vielleicht zum Frühstück. Dem Lesevergnügen tut das keinen Abbruch (man gönnt sich ja auch feine Praline einzeln und verleibt sie sich nicht packungsweise ein, wenn man etwas davon haben will), fürs anschließende Drüberschreiben ist das jedoch nicht unbedingt von Vorteil. Was also ist bei mir hängengeblieben von den Geschichten?
In sich geschlossen wirken manche von ihnen, beinahe hermetisch verriegelt. Etwa „Die Glyzinie“, in denen sich nach und nach erst das enge, fast inzestuöse Verhältnis der Ich-Erzählerin und ihrer beiden Hausmitbewohner enthüllt. In „Das Sujekt“ dagegen bricht sich eben jenes der Hauptfigur, eines Schriftstellers, der über sich selbst liest und sich selbst seltsam fremd wird. Das müsste ich gleich noch einmal lesen, aber dann komme ich ja nicht dazu, endlich über den Erzählband zu schreiben.
Am meisten beeindruckt daran hat mich die Titelgeschichte „Spiel auf vielen Trommeln“. Das Leben in einer sehr fremden Stadt mit unbekannten, eigenartigen Menschen schildert die Erzählerin, die selbst bis zum Schluss wiederum ihre Distanz um Leser wahrt, und all das ist so eigen, dass man nicht mal weiß, spielt es wirklich hier und jetzt oder ganz woanders? Ob ich ohne Katharina Döblers Nachwort tatsächlich hätte glauben können, dass diese Fremde mitten in Berlin in unserer Gegenwart liegt und Tokarczuk ihr Erleben während eines DAAD-Stipendiums in der Geschichte verarbeitet, ich weiß es nicht. Aber auch diese Geschichte werde ich wohl ein weiteres Mal lesen.
Ob ich danach zu weiteren Büchern von dieser ausgezeichneten Autorin greifen werde, bleibt abzuwarten. Mit Tokarczuk und mir, das fühlt sich an wie zwei, die sich auf gegenüberliegenden Mauern sitzend beobachten und darauf warten, dass die jeweils andere den ersten Schritt macht …