The Blindfold

Iris Vegan, Literaturstudentin mit Migräne aber ohne Geld, erlebt in New York 1979/1980 in Siri Hustvedts Debütroman The Blindfold, der 1993 erschien, teils erotische, teils beängstigende, oft jedenfalls verstörende Abenteuer. Was daran jeweils wirklich geschieht, was eingebildet ist, unvollständig erinnert oder durch neurologische Nebeneffekte der Migräne verzerrt wird, bleibt bis zum Ende offen.

Viele Themen, die in Hustvedts späteren Essays, Sachbüchern und Romanen wiederkehren werden, tauchen hier bereits auf: die Literatur und die Kunst, die Neurologie und die Philosophie, Fragen nach Wahrnehmung und Ethik – was ist richtig, was ist falsch, was gut, was böse?

Manches wirkt verrätselter, als es vielleicht sein müsste – aber das ist womöglich dem Rückblick geschuldet bzw. der Zeit der Entstehung des Romans. Mir wurde beim Lesen jedenfalls bewusst, dass dieses Literaturdebüt zeitgleich mit meinem Filmdebüt erschien, das ähnlich wie Hustvedts starke, autobiografische Anlehnungen hat und in dem es um ganz ähniche Fragen geht. Weniger ausgefeilt, weniger zitatenreich – das Drehbuch einer Mittzwanzigerin, das verfilmt wird, ist halt nicht dasselbe wie der Roman einer Mittdreißigerin, selbst wenn beide ein Stück zurückblicken darin – doch ich frage mich schon, liegen zu gewissen Zeiten bestimmte Themen einfach mehr in der Luft?

Jedenfalls merke ich, mir ist The Blindfold zugleich zu nah und zu fern, um angemessen darüber schreiben zu können. Zu nah, indem ich „mich damals“ bei Kleinigkeiten am Rande (den oftmals hinterher peinlichen Unterschied zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung etwa, die Unsicherheit in fast allem und natürlich die Migräen) in Iris Vegan wiedererkenne – und zu fern, weil all diese Themen aus diesen erstmals aus einem fiktionalen, künstlerischen Blickwinkel zu betrachten, halt schon mehrere Jahrzehnte hinter mir liegt.

Von daher bin ich nun gespannt, wie sich Memories of the Future, Hustvedts letzter Roman, den ich zusammen mit dem Debüt zum Geburtstag geschenkt bekam, lesen wird, jetzt, da ich in den Sommerferien endlich wieder zum Lesen komme — und von The Blindfold können sich alle Interessierten ja derweil ein eigenes Bild machen.

Dieser Beitrag wurde unter Schreibkram abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.