INF²erno

In Dante Alighieris „Die göttliche Komödie“ ist das Jenseits der Bezugspunkt, um unser Leben, Handeln und Lieben in die rechte, die christliche Perspektive des Mittelalters zu rücken. In Sputnics „INF²erno“ , das am Wochenende in der Casa in Essen Premiere hatte, ist dagegen die Zukunft Messlatte und Projektionsfläche für das Live Animation Cinema nach dem Werk des großen Italieners.

Gefangen im Überwachungskapitalismus finden sich hier unsere Reisenden – Vergil (Sven Seeburg). Orfeus (Kerstin Pohle) und Ada (Stephanie Schönfeld) – wieder. (Foto: Martin Kaufhold)

  Eigentlich stehe ich ja auf diese ganz besondere Kunstform, und bei Metropolis vor zwei Jahren passte der Mix aus per Hand animierten Zeichnungen auf Overheadfolien und sprechend-erzählenden Schauspielern perfekt zu dem, was da auf der Bühne verhandelt wurde. Auch in Nils Voges‘ und Malte Jehmlichs Inszenierung bei „INF²erno“ gibt es eine Menge Schönes und Spannendes zu bestaunen: All die wunderbaren, liebevoll gestalteten Zeichnungen (Silvia Brandt, Anna Malina), die einfallsreichen Animationen und die vier wunderbar wandelbaren sprechenden Schauspieler – Sven Seeburg, Stephanie Schönfeld, Alexey Ekimov und Kerstin Pohle -, deren Letztgenannte eine betörende Sängerin ist, und dazu die Filmsequenzen, ganz besonders die mit den graziösen Quallen, das sind Augen- und Ohrenweiden. Vieles davon berührt, macht nachdenklich, etc.

Allein, die Sache geht am Ende für mich nicht auf. Dantes Inferno meets „Terminator“ (Maschinenschöpfer und KI-Geschöpf, die sich gegenseitig bedingen, retten, zerstören), dazu der Hambacher Forst, Zitate von Heisenberg und Hawking, und was nicht alles noch. Während es geschieht, während man im dunklen Raum dabei ist, ist  man atemlos, mitgerissen, überwältigt. Nach gefühlt drei bis vier Schlüssen, die alle nicht allzu viel miteinander zu tun hatten, bleibt man erschöpft und ermattet zurück.

Zwei Stunden ohne Pause sind bei dieser besonderen Kunstform schon ziemlich viel – und das wird zu viel, wenn immer wieder verschiedene Texte gleichzeitig gesprochen und diverse Dinge parallel dazu umgebaut und projeziert werden. Zugleich wurde ich das Gefühl nicht los, das Kollektiv Sputnic habe sich diesmal verzettelt, sich nicht entscheiden können, wohin die Reise gehen soll. Und da ist die für mich offene Frage, warum tragen die drei künstlichen Wesen aus der Zukunft dasselbe wie die Menschenfrau aus unserer Gegenwart – eine seltsame schwarze Kluft, deren LED-Lichter nicht immer bei allen funktionieren, und dazu eine strenge Bubikopfperücke à la Romulanern? – noch gar nicht mitgerechnet …

Positiv dagegen war’s, mit dem dringenden Wunsch, „Die göttliche Komödie“ endlich mal zu Ende zu lesen, aus der Vorstellung zu kommen – und sich dann mit Mitzuschauern in angeregte Diskussionen zu stürzen. Und das ist doch dann wirklich ein gutes Zeichen! 🙂

Verdoppelt: Ada (Stephanie Schönfeld) und Dante (Alexey Ekimov) beim Abschied. (Foto: Martin Kaufhold)
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