Eine Mauer, gewaltig, groß, düster, aber bekletter- und bespielbar, dazu ein Kaffeetisch, eine Leiter und ein Klavier, mehr braucht es nicht, um das Haus, um das sich alles in Marius von Mayenburgs „Der Stein“ dreht, auf die Bühne des Essener Grillo-Theaters zu bringen. Am Wochenende hatte die Inszenierung von Elina Finkel dort Premiere – und sie hallt noch immer in mir wider.
Nicht mal ganz anderthalb Stunden braucht sie, um einen Bogen aus der Nazizeit bis heute zu schlagen – und das, obwohl diese Geschichte verschlungene Wege geht: die Handlung wechselt immer wieder zwischen verschiedenen Szenen hin und her. 1935 warten die Jüdin Mieze (Sabine Osthoff) und Witha (Ines Krug), dass ihrer beider Ehemänner sich über den Preis für das Haus einig werden. 1953 macht sich Witha mit ihrer Tochter Heidrun (Janina Sachau) bereit, das Haus und mit ihm die DDR zu verlassen. In den 1970ern kehren die beiden für einen Nachmittag zurück, und Heidrun beginnt zur Verwirrung von Stefanie (Silvia Weiskopf), der Enkelin eines der jetzigen Bewohner, im Garten nach einem Stein zu buddeln – den habe man ihrem Vater Wolfgang (Jan Pröhl) ins Haus geworfen, weil er damals das jüdische Vorbesitzerpaar rettete, indem er ihnen die Auswanderung finanzierte. Und 1993 schließlich kehrt Heidrun mit Mutter Witha und Tochter Hannah (Josephine Raschke) endgültig zurück in ihr Haus – wo sie dann von Geistern und Lügen der Vergangenheit eingeholt werden.
Deutsche Geschichte konzentriert auf die einer Familie, exemplarisch und elegant erzählt und mit fast zwingender Logik auf den Punkt gebracht: wenn es um die Rolle der eigenen Familie im Dritten Reich geht, halten es bis heute die Allermeisten mit „totschweigen oder lügen“ – jedenfalls, sofern ihre Geschichte/n nicht gleich in den Geschichtsbüchern zu finden sind.
Die Entlarvung der Lebenslügen mitzuerleben, ist spannend, berührend, immer wieder mit Fremdscham verbunden, aber niemals langweilig, nichts, was mich auch nur einen Moment kaltlässt (schlimmstenfalls nervt Heidrun zwischendrin mal mit ihrem aggressiven Vaterheldenkult). Daran haben die Schauspielerinnen, die zwischen den Zeiten hin und her springen, großen Anteil – man kann nur den Hut ziehen, wie z.B. Ines Krug aus der alten, demente Dame zur jungen Frau und Mutter wird, oder Janina Sachau zwischen Kind und Erwachsener wechselt.
Am Ende gab es langanhaltenden, verdienten Applaus für ein durchdacht gebautes Stück, eine stringente Inszenierung und großartige Schauspielerinnen. Das kann man sich mehr als einmal anschauen – und ich hoffe, so viele Menschen wie möglich finden ihren Weg in dieses Stück!