Von Seidenraupen und Bücherwürmern

Wenn Sie einfach nur auf der Suche nach einem dicken Schmöker sind, der Sie mit einer spannenden Detektivgeschichte durch einige grau-dunkle Tage und/oder Abende bringt, dann sollten Sie in Erwägung ziehen, sich The Silkworm von Robert Galbraith zuzulegen und am besten erstmal selbst zu lesen, bevor Sie sich meinen Gedanken dazu weiter widmen. Ja, das ist ein Spoileralarm und auch ein Hinweis darauf, dass mich das Buch zwar gut unterhalten hat, ich aber nicht mit allem glücklich bin.

Ein guter Begleiter durch regengraue, kalte Tage: „The Silkworm“ von Robert Galbraith

Auf eine recht spezielle Art verbindet der 2014 erschienene Kriminalroman das Beste aus beiden Krimiwelten diesseits und jenseits des Atlantiks: Auf der einen Seite ist Cormoran Strike geradezu ein archetypischer Vertreter der Gattung Privatdetektiv – er ist vollkommen unbestechlich, brillant, gelegentlich zynisch, aber öfter zumindest versuchsweise ritterlich und abgesehen von seiner schönen Assistentin Robin ein einsamer Wolf par excellence. Hammett, Chandler und Co. hätten das auch nicht besser hinbekommen, obwohl ich natürlich nicht weiß, ob er ihnen als notorischer Teetrinker nicht doch ein wenig suspekt gewesen wäre. Während die Hauptfigur also ein moderner Großstadtritter im Sinne der Serie Noir ist, lebt und arbeitet er auf der anderen Seite nicht nur in London. Nein, er ermittelt ziemlich klassisch britisch, arbeitet sich an einem Whodunnit inklusive alles erklärender Aufklärung und wiederhergestellter Gerechtigkeit am Ende ab.

Dass er in The Silkworm im Haifischbecken namens Verlagswelt ermittelt, macht die Sache für mich als lesende Autorin und überdies Übersetzerin aus dem Englischen um so reizvoller. Alles beginnt mit einem scheinbar harmlosen, scheinbar einfachen Auftrag: er soll einen abhandengekommenen Ehemann suchen, der als Schriftsteller mit höheren Ambitionen als Verkäufen gesegnet, des öfteren mal abtaucht. Diesmal jedoch, die kundige Krimileserin ahnt es bereits, ist alles anders – denn der Mann ist tot, ermordet wie die Hauptfigur in seinem letzten Roman, einer bös-perversen Satire bestückt mit Karrikaturen seiner Konkurrenten aus der Verlagswelt. Wobei das Pikante hier auch darin liegt, dass der Roman gar nicht veröffentlicht ist, weil diverse Klagen zu befürchten sind …

So weit zur Handlung, die im heutigen London spielt, erst im regengrauen November, dann in einem schneereichen Dezember, was es besonders hübsch machte, das Buch gerade jetzt zu lesen. J.K.Rowling alias Robert Galbraith baut eine süffig-spannende Geschichte mit allen möglichen Wendungen und Windungen, bei der am Ende weder die Gefährdung der Helden Strike & Robin, noch der Sieg des Guten fehlen darf. Selbst die Agentin als Täterin – aus Rache, nicht als pervertierte PR – zeigt sich rückblickend als perfekt auf diese Rolle hin angelegt, wie man etwa an ihrem Dauerhusten und ihren eigentümlich-unangenehmen Hunde ablesen kann. Und, gewiss, Galbraith/Rowlings Lust am detailreichen Beschreiben kommt den Erfordernissen eines Krimis, der ja reichlich Stoff braucht, um darin zwischen all den falschen Fährten die echten Spuren verbergen zu können, sehr zugute.

Während also die Spannung an sich funktioniert, und die Sprache hinreichend kreativ, besonders ist, ohne gekünstelt zu wirken, um für jemand wie mich immer wieder interessant zu sein, gibt es da leider, leider ein nicht unerhebliches Problem mit der Perspektive.

Erzählt in der dritten Person orientiert sich der Roman zu 95 Prozent oder mehr an Strike: Wir folgen ihm durch die Handlung und erleben den allergrößten Teil davon auch aus seiner Sicht. Allerdings gibt es auch Passagen aus der personalen Perspektive Robins – meist sehen wir dann durch ihre Augen Strike oder sind bei ihren Gedanken über ihn bzw. zum Fall. Doch damit nicht genug: ihr Verlobter Matthew bekommt auch noch ein paar Promille eigene Erzählperspektive – und zwar immer wieder da, wo es darum geht, dass er Strike nicht leiden kann. Mal abgesehen davon, dass ich diesen ganzen Privatkram so nicht gebraucht hätte (was aber auch Geschmackssache ist), wird dieses Verfahren zwischenzeitlich völlig wirr – nämlich dann, wenn innerhalb einzelner Absätze in Szenen mit diesen dreien immer wieder hin und her geswitcht wird. Solches Perspektivgematsche fällt eigentlich in den Bereich klassischer Anfängerfehler – wie so etwas einer erfahrenen Autorin wie J.K. Rowling unterlaufen kann, ist mir schleierhaft.

Schade. Ohne das Perspektivenhopping hätte ich womöglich die Momente, wo zwar aus Strikes Sicht erzählt wird, aber zwecks Aufrecherhalten der Spannung seine Gedanken bzw. seine Worte außen vor bleiben – etwa, wenn er seine Theorie zu Täter und Tathergang entwickelt und die Falle für die Entlarvung aufbaut -, einfach als genretypisch überlesen. So jedoch fühle ich mich an der Nase herumgeführt und betrogen – und das, wo ich mir sicher bin, das wäre auch anders gegangen.

Nun denn. Wie gesagt, wenn Sie nur auf der Suche nach spannender Unterhaltung sind, tut das der Sache keinen Abbruch. Wenn Sie sich jedoch fürs Genre und/oder Fragen der Erzählperspektive interessieren und wie ich stets auf der Suche nach einem perfekten Stück Literatur sind, dann wissen Sie nun, dass Sie hier nur bedingt fündig werden.

 

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