Zwischenjahresnotiz II: The Memory Collector

Für meine Uniseminare bin ich immer wieder auf der Suche nach neuer Lektüre. Nächstes Semester steht wieder „Erinnern und Vergessen: Ich und Identität (nicht nur) in der Kriminalliteratur“ auf dem Programm und dafür las ich u.a. Meg Gardiners „The Memory Collector“ aus dem Jahr 2009. Gelangweilt habe ich mich mit dem Thriller aus der Reihe mit Jo Beckett nicht – aber passt das Buch auch in meinen Semesterapparat?

Um Nanotechnologie mit unerwarteten Nebenwirkungen geht es darin, denn diese löst bei Kontakt eine massive anterograde Amnesie aus. Sprich: den Betroffenen wird es unmöglich, neue Erinnerungen zu formen, was ihnen die Orientierung im Jetzt raubt – da das Jetzt, in dem sie sich zu befinden meinen, nicht das Jetzt der anderen ist. Um sich zu orientieren, ist man auf die Hilfe der anderen angewiesen, aber die müssen den Zustand erst einmal begreifen und man selbst muss ihnen vertrauen.

Wenn man sich, wie Rusty Kanan, jedoch in einer höchst bedrohlichen Lage befindet, obendrein die Familie als Geisel genommen wurde, wird die Sache überaus schwierig. Der Thrillerplot, der so entsteht, liest sich spannend. Allerdings sind literaturwissenschaftlich betrachtet nur die Passagen wirklich interessant, in denen aus dem Zustand der anterograden Amnesie selbst heraus erzählt wird – also wenn Meg Gardiner die Erzählung in den Kopf von Rusty verlegt oder von einem der anderen, die das Pech hatten, mit der Nanotechnologie direkt in Kontakt zu kommen, und dann eine Sprache finden muss für Wahrnehmung und Erleben der bizarren Art.

Ergo: man kann sich schlechteres vornehmen, als einige Abende mit diesem Thriller zu verbringen, aber meine Studierenden in spe müssen das dann als Privatlektüre tun. Für meinen Kurs ist die Rolle, die die Amnesie für das Erzählen spielt, einfach zu sporadisch, d.h. zu wenig systematisch.

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