Fünf Werke in je fünf Gedanken – so will ich versuchen, meinen Rückstand hier im Blog aufzuholen. Den Auftakt macht ein Klassiker: Margarete Mitscherlichs Die friedfertige Frau.
13 Kapitel verteilt auf nicht mal 200 Seiten, das ist der eher überschaubare Rahmen, in dem Margarete Mitscherlich in den 1980ern der Frage nachging, ob Frauen tatsächlich friedfertiger sind als Männer, woher das wohl kommen könnte und welche Schlüsse sich daraus ziehen lassen.
Dass das dennoch keine Lektüre für nur einen einzigen Abend ist, liegt nicht zuletzt daran, dass sich Texte von Psychoanalytikern sehr selten leicht und flüssig lesen lassen. Selbst bei Büchern, die sich wie dieses an die Allgemeinheit (und eben nicht an ein reines Fachpublikum) richten, hat man stets das Gefühl, ohne Siegmund Freud und seine wichtigsten Schüler der letzten 100 Jahre studiert zu haben, könne man bestenfalls an der Oberfläche des Dargelegten kratzen. Man braucht also unbedingt Hartnäckigkeit und eine hohe Frustrationstoleranz für die Lektüre.
Das lohnt sich bei Mitscherlich auch, denn sie gibt sich alle Mühe, den Wust aus allerlei Vorurteilen gegenüber der Pychoanalyse zu entwirren und dem ein modernes Verständnis entgegenzusetzen und umstrittene Begriffe wie den des Penisneids entsprechend neu verständlich zu machen. Dabei darf man dann aber als lesender Mensch des 21. Jahrhunderts auch nicht vergessen, dass Mitscherlichs Buch erstmals 1985 erschien – Die friedfertige Frau muss selbst als Zeitdokument gelesen werden.
1985, das heißt, der zweite Weltkrieg ist als Angelegenheit der Elterngeneration noch ganz nah, die 1968er sind kaum vergangen und die großen, feministischen Auseinandersetzungen der späten 70er Jahre sind noch längst nicht Geschichte und tragen erst erste Früchte im Alltag. Die Vergewaltigung in der Ehe ist weit entfernt davon, ein Straftatbestand zu sein, dafür brauchten die Frauen noch bis vor kurzem die Erlaubnis ihres Gatten, wenn sie arbeiten wollten.
Aus diesem Blickwinkel betrachtet wirkt vieles anders als heute. Und zugleich rückt das unseren Blick aufs scheinbar selbstverständlich gleichberechtigte Leben im Jetzt gehörig zurecht. Zumal sich leicht abgewandelt Mitscherlichs Eingangsfrage zum 11. Kapitel – „Antisemitismus – eine Männerkrankheit?“ angesichts der Verschiebungen und Verwerfungen in den politischen Landschaften Europas heutzutage ganz neu zu stellen scheint … es war also ganz richtig, dass ich dieses Buch auf die Liste meiner Zukunftslektüren setzte.