Shakespeares Sturm hat mit dem Zauberer Prospero, der über Dreiviertel des Stücks von einer Art pädagogischem Rachewunsch für seine Vertreibung von Mailands Thron getrieben ist, eine eigenartige, zwitterhafte Hauptfigur. Und so wie er zwischen „Weisheit“ und „Macht“ steht, bedient er sich einerseits des ‚guten Geistes Ariel‘ und andererseits des ‚bösen Monsters Caliban‘. Dazu dann die überaus naive Tochter Miranda, die sich prompt in Ferdinand, den ersten Jüngling, den sie je erblickt, verliebt, und die bis auf eine Ausnahme korrupte/machtgierige Hofgesellschaft, die sich Prospero mit dem Sturm auf die Insel holt – das sind wilde Zutaten, die ein wenig an den Sommernachtstraum erinnern und von der Regie vor allem eines erfordern: Entschiedenheit. Leider fehlte diese wie auch so manches andere Thomas Krupas Inszenierung, die jetzt im Grillo-Theater in Essen Premiere hatte.
Die Bühne (Andreas Jander) ist ein dunkler Raum, in dessen Mitte lediglich eine Art schwarzer „Zauberwürfel“ steht, aus dem sich Ariel (Janina Sachau) nach Bedarf Strippen zieht – für die E-Gitarre, das Mikro, die Soundspezialeffekte oder auch die Kopfhörer, die dann den Wahnsinn, das Gefangensein der Gestrandeten symbolisieren. Kein fester Raum, nur schwarze Projektionsflächen, die hoch genug hängen, dass man darunter hindurch kriechen oder an den offenen Ecken zwischen ihnen auf- und abtreten kann –
– das könnte ein guter Spielraum sein, bloß scheint die Inszenierung auf alles aus außer auf Spiel, gar Zusammenspiel. Alles bleibt vereinzelt: Schauspieler treten im Dunkel auf, bringen sich in Position, wahlweise nach vorne zum Zuschauerraum gewandt (wenn sie danach reden wollen, reden sie zumeist starr nach vorn und fast nie miteinander) oder gewollt skuril in irgendwelchen abstrusen Haltungen eingefroren. Beziehungen zwischen den Akteuren werden so konsequent verhindert und auch Spannung kann kaum aufkommen. Aktionen werden zelebriert, Dialoge zerdehnt, und was beim ersten oder zweiten Mal noch seinen Reiz hat – wie die abstrakt anmutenden Projektionen zu Ariels betörend gedachtem Björk-Singsang – wird spätestens bei der dritten oder vierten Wiederholung nervig, langweilig.
Das fehlende Gefühl für Rhyhtmus und Tempo setzt sich leider auch im Text fort, und so verplätschert Tragelehns an sich doch gute, kraftvolle Shakespeareübersetzung im Ungefähren der Inszenierung. Über weite Strecken verlor selbst ich Sprachbegeisterte jeden Kontakt zum Text … und dass man einerseits den Sturm in zwei Stunden auf die Bühne stellt, andererseits sich diese jedoch aus dem Zuschauerraum wie eine unangenehme Ewigkeit anfühlen, macht die Sache nicht besser.
Die Tanzszenen der Jungverliebten hätten womöglich Schwung reinbringen oder wenigstens für erinnernswerte Bilder sorgen können – doch was Philipp Noack als Ferdinand momentweise gelingt, macht Lisan Lantins spannungslose Latschigkeit gleich wieder zunichte. Da Schauspieler naturgemäß keine Tänzer sind, wäre man hier besser gefahren, auf diese Einlagen zu verzichten. Apropos Verzicht: sollte ich noch einmal in den Zwiespalt zwischen „Shakespeare sehen wollen“ und „Krupa-Inszenierungen meiden“ geraten, entscheide ich mich unbedingt für letzteres.
Gestern Abend beneidete ich jedenfalls die zehn Zuschauer, die sich die Freiheit nahmen, und vorzeitig den Saal verließen …
Ich fand den abend supi. Liebe Grüße.
Echt? So verschieden kann man Dinge sehen … wobei … ohne das wäre eh kein Theater möglich, weil es dann ja für jedes Stück nur genau eine denkbare Art, es zu inszenieren gäbe 😉 – die Videos an sich fand ich interessant, dachte aber, ich hätte sie mir lieber als eigenständige Installation denn als Teil dieser Inszenierung angesehen – liebe Grüße