Sind Zwillinge unheimlich – vor allem für jene, die kein solches, menschliches Spiegelbild haben? Ein äußerst beliebtes Motiv in der „Zwillingsliteratur“ scheint die Aufteilung in guter Zwilling/böser Zwilling zu sein. Ob das dem geheimen Wunsch geschuldet ist, dass Zwillinge sich doch nicht gleichen mögen wie ein Ei dem anderen oder mit dem zusammenhängt, was sich hinter den Spiegeln, den Doppelgängern und ähnlichen „Gruselmotiven“ verbirgt? Schade, dass ich Agatha Christie nicht mehr fragen kann, was sie sich bei der Konstruktion der Zwillingsschwestern in Elefanten vergessen nicht dachte.
Immerhin lernte ich darin endlich einmal Mrs. Oliver kennen, Christies Schriftsteller Alter Ego und zudem eine Intimfreundin von Hercules Poirot. Und das war eine ausgeprochen vergnügliche, angenehm altmodische Begegnung. Es geht um die Frage, ob der Tod der Eltern von Mrs. Olivers Patentochter Celia nun ein Doppelselbstmord, Mord & Selbstmord oder ein Doppelmord war. Die Weg zur Erkenntnis ist verschlungen und zugleich hübsch angelegt. Dass das Zwillingsmotiv letztlich der Plot an sich, rein also der Schlüssel zur Auflösung, ist, stand zu befürchten. Nicht, dass dies dem Lesegenuss Abbruch täte. Der Verwendbarkeit in einem Literaturseminar, das sich mit verdoppelter Identität in der Literatur befassen soll, jedoch schon. Da sollte das Zwillingsthema auch Spuren im Erzählen hinterlassen und nicht nur Teil des Erzählten sein.
Leider gilt etwas ganz ähnliches auf für Gisa Paulys Kurschatten. Hier tötet eine Zwillingsschwester die andere, um endlich aus deren Schatten zu treten. Dass die vermeintlich Selbstmörderin erstens die andere ist und zweitens von ihrer Schwester ermordet wurde, ist schon fast Ehrensache. Dass jede Menge Verwicklungen – vor allem der komischen Art – der Auflösung im Weg stehen, ist ebenso unvermeidlich wie all die italienischen Gerichte und Gerüchte, die die italienische Schwiegermama des Sylter Kommissars so sehr liebt. Fans von Mamma Carlotta und Liebhaber von Strandkorbkrimis werden das Buch also mögen. Für meine Studenten jedoch muss ich weitersuchen.
Was für ein wunderbarer (Neben)Beruf, der mich mit perfekten Ausreden versorgt, noch mehr Stunden mit der Nase in einem Buch zu verbringen. 😉