… ist Brigitte Pons an ihren Kriminalroman Celeste bedeutet Himmelblau herangegangen: ein attraktiver, neuer Ermittler, die Idylle des Odenwalds samt (zunächst) engstirniger Dorfbewohner und ein Handlungsbogen, der sich von einem Einsiedelhof am Waldrand bis zur Colonia Dignidad am andern Welt spannt. Sekten, Indoktrination, Mord- und Totschlag, dazu Nachrichtendienste und die Politik, all das hat bei ihr Platz auf 340 Seiten.
Die man überdies recht schnell liest, weil zum einen die Sprache Auge und Ohr schmeichelt, dazu verführt, weiter und weiter zu lesen. Und weil zum anderen die Spannung dazu treibt, selbst wenn es mir persönlich manchmal zu viele Namen und Personen in zu kurzer Abfolge sind und mich die Unterkapitelüberschriften bestehend aus Ort, Zeit und Perspektivfigur nicht immer 100%ig orientieren.
Der Plot ist gut gebaut – was mit einem toten Bauern auf seinem Acker beginnt und am liebsten von den Kripokollegen des Dorfpolizisten und Protagonisten Frank Liebknecht zum Unfall erklärt wird, führt über familiäre Abgründe hinein ins Sektenmilieu und von dort in die Dunkelzonen der Politik. Der Roman spinnt die Menschenrechtsverletzungen der Colonia Dignidad weiter und knüpft ein enges, perfides Netz zwischen religiösem Eifer und Gewalt.
Und während mancher Agent darin sein Tun mit „es gibt weder schwarz noch weiß, sondern nur Schattierungen von Grautönen“ zu rechtfertigen sucht, bleibt für mich auf Seiten der Täter/der Sekte doch manche Figur zu blass. Das Leben in der Sekte wie auch dessen Fortsetzung in der „Sektenaussteigersekte“ schildert Pons sowohl in großen Gruppenszenen wie auch in schlaglichtartigen Einzelerinnerungen sehr treffsicher und auch berührend (der weiße Nacken der Frau mit der Haube beim Sektensommerfest in Paderborn wird mir noch lange in Erinnerung bleiben).
Doch gerade die zentrale, aber abwesende, weil vor der Haupthandlung verstorbene Figur der Bäuerin und Sektenfrau, insgeheim jedoch Folterfachkraft Johanna bekomme ich nicht zu fassen. Ich kann mir vorstellen, wie der religiöse Wahn, stets auf der richtigen Seite zu stehen und dort ausschließlich als Werkzeug Gottes zu handeln, mit effizientem Töten und Foltern zusammengehen kann – ein unheimlich treffender Gedanke, für den der Autorin Respekt gebührt! Aber wie sich das anfühlen mochte, was das tatsächlich mit einer solchen Figur gemacht hat, erzählt der Roman nicht.
Ich verstehe durchaus, dass es schwer erträglich wäre, sich auf so eine Figur einzulassen – und zwar für Autorin und Leser gleichermaßen. Nur frage ich mich zugleich, ob der Roman nicht auch ganz ohne diesen Aspekt anzureißen (und ohne die Agentengeschichte am Schluss) ausgekommen wäre? Mir hätten die engen Beziehungen zwischen Sekte, rechtem Gedankengut, Missbrauch und Gewalt in Familie wie „Gemeinde“ gereicht, um den Druck zu verstehen, unter dem die Beteiligten und vor allem die titelgebende Celeste standen.
P.S.: Wer noch mehr Wert auf besondere Charaktere mit vielen Ecken und Kanten legt, dem sei Die Würde der Toten (ebenfalls von Brigitte Pons) empfohlen …