Manchmal findet man Dinge wieder, die man gar nicht suchte, während andere gesuchte Sachen verborgen bleiben. Das Gedicht – wenn es denn eins ist – ist ein dunkles, nicht für jedermann, und sicher nichts, was ich erklären werde. Aber irgendeinen Ort braucht es wohl, damit es nicht wieder verloren geht …
(Für Jonas und Johannes)
nacht
draussen
im wald
umringt
stimmen
ein kind, stumm
stimmen
damit du das schweigen lernst
damit du stark sein lernst
damit du lernst was verraetern passiert
der wald aus beinen lichtet sich
dahinter ein loch
darin ein kasten
der erste nimmt das kind:
damit du das schweigen lernst
und gibt es dem zweiten
am rand der grube nimmt der zweite das kind:
damit du stark sein lernst
und gibt es dem dritten
der dritte legt das kind in den kasten:
damit du lernst was verraetern passiert
und verschliesst den kasten
stimmen
erde faellt
stimmen werden leiser
erde faellt, leiser
stille wie blei
ein schrei erstickt
bevor er die lungen erreicht
die panik verstummt
in dem kleinen klumpen aus menschlichem fleisch
nichts sehen
nichts hoeren
nichts sprechen
zusammenrollen
zusammenziehen
zumachen
hartmachen
festmachen
geballte angst verwandelt muskeln zu stein
nichts sehen
nichts hoeren
nichts sprechen
ein kind wird schwarze nacht
ein stein aus angst
das zittern erstarrt
schwarzes schweigen ein mantel aus stahl
leises kratzen
leise stimmen
lauteres kratzen
lautere stimmen
nachtluft
nachtlicht
nachtstimmen
nachtmenschen
das andere kind steht benommen
jetzt kennst du das schweigen
jetzt kennst du die staerke
jetzt weisst du was verraetern passiert
das kind sieht – nacht/leben
es wird begruesst
das kind hoert – nacht/stimmen
angstfeucht, warst das du?
das kind spricht – nacht/worte
das war der andere
lachende nachtstimmen
der andere, lachen sie
dann bring ihn fort, sagen sie
das kannst du doch, fragen sie
das nachtkind nickt
das nachtkind gehorcht
es hebt das steinkind auf
traegt es weit fort, tief fort
bringt das angstkind nach innen
in einen anderen wald
in eine andere nacht
ein sicheres dunkel
ein warmes schweigen
beide sind im dunkel
der eine in sich
der andere in der nachtwelt
beide sind in der stille
der eine in seinem angststein
der andere in der nachtwelt
beide sprechen nicht
bis —
— bis der andere die nachtwelt verlaesst
das dunkel verlaesst
bis er die stille verlaesst
und das sschweigen bricht
zerbrochen
die ersten dunklen haelften
aber nicht gebrochen
nicht mehr gehorchen
nicht mehr die augen verschlossen
nicht mehr die ohren versperrt
nicht mehr schweigen
die angst bleibt
aber die einsamkeit geht
vielleicht
geht sie wirklich
vielleicht
geht irgendwann auch die angst
vielleicht
Copyright 2000 Mischa Bach