Gelegentlich stolpere ich lesend entgegen meiner Abneigung in die eine oder andere Serienkillergeschichte. Für gewöhnlich meide ich solche Thriller allein wegen ihres Hangs zur billigen Effekthascherei. Manchmal jedoch schreibt jemand so gekonnt, dass ich einem Serienkiller bis auf die letzte Seite folge – und dabei stieß ich kürzlich auf einen weiteren, problematischen Aspekt dieser Art von Literatur, der den ‚Serienrächer‘ betrifft.
Serienkiller in der Literatur sind ja selten die banalen der Realität, also die, die vom Verbrechen leben und dabei andere aus purem Utilitarismus (oder auch aus Dummheit) töten.
Serienkiller in der Literatur sind entweder komplette Psychopathen (und für mich nicht lesbar, weil absolut uninteressant) oder sie sind im weitesten Sinne Rächer, die wiederum andere Täter töten, was zum Versuch verleitet, im Thriller soziale Missstände der Realität anzuprangern.
Das Opfer, das zum Rächer wird, ist eine Konstruktion, die in den Händen eines fähigen Autors Verständnis und Empathie zu wecken vermag – und genau das führt zu einer eigentümlichen Schieflage: Einerseits versteht man das Rachebedürfnis, teilt es womöglich sogar. Andererseits sind diese Rachemorde häufig höchst gewalttätig und grausam. Und das rückt den Täter, den Rächer in ein eigenartiges Licht, welches wiederum einen Schatten auf das Opfer wirft, das der Täter einst war, und womöglich andere Opfer, die selbst keine Täter wurden, unbeabsichtigt mittrifft.
Denn man sollte eines nicht vergessen: die meisten ehemaligen Opfer wie etwa Überlebende von Kindesmisshandlungen aller Art werden in der Realität später keine Täter, sondern einfach Menschen, die mit ihren Verletzungen so gut es geht unter anderen Menschen leben.
Und manchmal stolpern sie in Serienkillergeschichten …