Tragischglücklich

So seltsam sich das Wort liest, so treffend scheint es mir für Ein Schaf fürs Leben, das Siegfried Hopp in der Box, der kleinsten Bühne des Essener Grillotheaters, inszenierte. Und was Wolf (Tom Gerber) und Schaf (Anne Schirmacher) dort in 40 Minuten erleben, ist sicher nichts nur für Menschen ab fünf Jahren … Ganz gegen den Strich der Erwartungen bürstet schon die Vorlage, das Kinderbuch von Maritgen Matter, die Geschichte: Wenn ein hungriger Wolf in einer eisigen Winternacht einem Schaf begegnet, dann kann das doch nur blutig enden! Bestenfalls wird sich das Schaf mit List und Tücke – siehe Rotkäppchen, Sieben Geißlein & co. – retten. Aber nein, dieses Schaf ist so naiv, so freundlich, es begreift bis zum Schluss nicht die Gefahr, in der es schwebt.

Ob der Wolf Teller und Besteck im Stall auspackt oder auf dem anschließenden Schlittenausflug – draußen lässt es sich eleganter, stiller morden, denkt er – es von hinten packt, das Schaf glaubt an das Beste im Wolf. Es bietet ihm Heu und altes Brot an, das er jedoch verschmäht. Und obwohl das Schaf das gesamte Stück über im Sinn behält, dass sein neuer Freund mit der glitzernden goldenen Uhr und der geschliffen schönen Dichtersprache hungrig ist, zweifelt es nie an seinen Absichten. Und doch gelingt es dem Wolf nicht, das Schaf zu reißen und seinen Hunger zu stillen – erst recht nicht, nachdem es ihn todesmutig aus dem Eisloch im See gerettet hat.
Denn was man kennt, das isst man nicht. Aber ewig hungrig kann so ein Wolf natürlich auch nicht bleiben. So kommt es am Ende weder zum tragischen Ende mit Blutbad noch zum unglaubwürdig glücklichen Heititei-Ende. Es endet tragischglücklich …

So geht man als Zuschauer stillglücklich nach Hause aus dieser winterlichen Bühnenwelt (Bühne & Kostüm: Anne Koltermann) mit Igluhügel und Schneeventilator. Wenn man denn mal hingegangen ist und zuvor eine Karte ergatterte. Also, auf zum Vorverkauf! 🙂

 

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