Kein so weites Feld

Ich bin durch, zumindest einmal, zum ersten Mal: durch die Einsendungen zum Friedrich Glauser Preis in der Sparte Kurzkrimi. Knapp 190 kurze Kriminalerzählungen, allesamt erschienen im Jahr 2013 und eingereicht von ihren jeweiligen Urhebern waren es und ich habe zusammen mit meinen Mit-Jurorinnen nun die ehrenvolle Aufgabe, daraus die besten herauszufiltern. Über diesen Prozess kann und will ich nichts sagen – das versteht sich von selbst. Aber zugleich kann ich die Gelegenheit, über diesen Querschnitt der (kurz)Krimiproduktion eines ganzen Jahres schreibend nachzudenken, auch nicht ganz verstreichen lassen. Ohne ins Detail zu gehen und ohne über Qualitätsfragen (oder anderes, was die Juryarbeit unmittelbar berührt) zu schreiben, natürlich. Dafür mit Blick auf die Themen.

Die sind im Schnitt eher unauffällig. Soll heißen: Das Gros der kurzen Krimis bewegt sich thematisch im unmittelbaren, persönlichen Umfeld. Ich hab’s nicht ausgezählt, keine Statistik geführt, aber die Vielzahl von Verbrechen aus Leidenschaft/Eifersucht in Ehen oder eheähnlichen Verhältnissen der mehr oder minder rein heterosexuellen Art springt schon ins Auge. Vieles davon ist bieder bis handwerklich gekonnt, manches sogar erstaunlich, überraschend, aber nur weniges experimentell.

Als zweites, großes Themenfeld neben den mordenden Ehegatten (und den allerdings sehr viel selteneren Geschwistermorden) muss wohl die Rache gesehen werden. Manchmal hat das aktuellere Bezüge (etwa, wenn Banker/Fondsmanager und andere Akteure der Finanzkrise das Objekt der Rache sind), meist jedoch geht es auch hier um persönliches und häufig geht das Ganze schief – frei nach dem Motto „Wer andern eine Grube gräbt …“. Schadenfreude gehört damit sehr viel häufiger zur kriminalliterarischen Grundausstattung als etwa Galgenhumor (den es aber auch gibt). Politische Verbrechen waren so selten Thema deutschsprachiger Kurzkrimis des Jahres 2013 wie das organisierte Verbrechen – beides kam zwar vor, gehörte dann aber zugleich letztlich wieder in eines der beiden erstgenannten Themenfelder.

Auch Berufsverbrecher stellten nur eine Minderheit. Manch Bankräuber entdeckt nach Absitzen seiner Gefängnisstrafe, dass das gewählte Versteck die Beute doch nicht so zuverlässig schützte wie gehofft und manch Profikiller nutzt seine beruflichen Fähigkeiten – genau, für private Zwecke.

Ein Grund für das Überwiegen des Privaten, Persönlichen sowohl was das Umfeld der Taten als auch die zugrundeliegenden Motive angeht, wird wohl darin liegen, dass der Rahmen nur begrenzt ist. Große Verschwörungen oder politische Intrigen, wissenschaftliche Hintergründe oder auch nur komplexe Verbrechensplanungen lassen sich nicht mal eben auf bis zu 20 Manusskriptseiten abhandeln (nebenbei: ob das ein Grund ist, warum die klassischen Kriminalerzählungen bei Hammett, Chandler und co. selten unter 40 Seiten ausfallen?!). Dennoch gelingt es so manchem, auf den wenigen Seiten psychologische Untiefen auszuloten, für überraschende Plots zu sorgen (selbst unter kriminellen Eheleuten …) oder Kleinode mit literarischem Anspruch zu schaffen.

Respekt. Unter anderem deshalb bin ich nun gerade mal ein erstes Mal ‚durch‘ mit den Romanen. Morgen werde ich den Tag mit meinen persönlichen Top 24 verbringen und mich durchringen müssen, diese auf nur mehr die klassischen Top Ten zu beschränken. Kein leichtes Unterfangen, fürchte ich. Aber ein ebenso schönes wie spannendes.

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