Gerade mal eine gute Stunde dauert Deca Dance, das Tanzstück von Ohad Naharin, am Essener Aalto-Theater. Eine Stunde, die wie im Flug vergeht und doch Eindruck macht dank der vielen verschiedenen Eindrücke und Bilder, die der israelische Choreograph auf die leere Bühne (Licht: Avi Yona Bueno) zu zaubern vermag. Gaga nennt er seinen Bewegungsstil, der unter anderem dazu dient Bewegungsimpulse zu finden.
Ein Hauch „Pulp Fiction“ trifft auf etwas, das sich in meinen Ohren anhörte, als träfe Kletzmer auf Rock, gefolgt von einer fast hypnotischen, orientalischen Musik, Swing begegnet ChaCha und dann wieder springt die Musik zwischen den Stilen, als könne sich jemand nicht entscheiden, welchen Radiosender er nun hören will.
Strenge Formen lösen sich auf (besonders elegant im „Mabul Duett“ mit Michelle Yamamoto und Denis Untila), verwandeln sich, wieder und wieder. Die Tänzer werden von orthodoxen Juden am Rande des Wahns zu bunten Farbtupfern überschäumender Lebensfreude (Kostüme: Rakefet Levy). Und dann die Grenzüberschreitung: Plötzlich geht das Licht im Saal an und die Tänzer schreiten die Zuschauerreihen ab, um sich Tanzpartner zu suchen. Alte, junge, dicke, dünne Menschen – sie entführen sie auf die Bühne, und dort geschieht dann ein kleines Wunder: Ob freestyle, Chacha, Menuett oder Slowfox (ich Nichtgesellschaftstänzerin denke jedenfalls, das engumschlungene, langsame muss ein Slowfox gewesen sein), die Profitänzer lassen ihre Partner aus dem Publikum richtig gut aussehen. Elegant, fröhlich, witzig, ironisch, allemal lebending – als müsse das ganz genau so sein, als könne das gar nicht anders ausgehen.
Der anhaltende Applaus am Schluss war allemal hochverdient.
P.S.: Was ich jedoch nicht verstehe: Warum es immer wieder diese „unmusikalischen Stellen“ gibt, d.h. Stellen mit sehr leiser Musik, wo plötzlich die Schritte der Tänzer unangenehm laut zu hören sind. Und zwar nicht so, dass sie einen eigenen Rhythmus ergäben (den Effekt, dass die Tänzer selbst die Geräusche und den Rhythmus erzeugen, nach dem sie tanzen, gibt es an anderen Punkten der Choreografien durchaus) oder sich gar mit der Musik zu einem Ganzen fügten. Da dieselben Bewegungen an anderen Stellen nahezu unhörbar sind, frage ich mich – ist das Absicht? Oder achtet da einfach niemand drauf? Beides kommt mir merkwürdig vor, angesichts all des Aufwands, der bei einem Ballett betrieben wird, um so etwas wie Perfektion zu erreichen …