Eigentlich soll Fahnderwachtmeister Studer Erwin Schlumpf, des Raubmordes an Wendelin Witschli, dem Vater seiner Geliebten Sonja, verdächtig, nur in der Haft abliefern. Statt dessen rettet er ihn, als er sich das Leben nehmen will, und glaubt an dessen Unschuld, die er fortan zu beweisen sucht. Mord wird Selbstmord mit Betrugsabsicht und dann wieder Mord, der aber nicht zu beweisen ist – und irgendwie hängen fast alle in Gerzenstein, dem Dorf der Läden und Lautsprecher, mit drin ….
So könnte eine Zusammenfassung der Geschichte, die Friedrich Glauser in Schlumpf, Erwin Mord seinem ersten Kriminalroman mit Wachtmeister Studer erzählt, lauten. Und obwohl eindeutig ermittelt wird, obwohl viel Unrecht und auch kriminelle Energie ans Tageslicht kommt, das ist bestenfalls die Oberfläche. Denn der Studer wie sein Schöpfer ist stets auf mehr aus: darauf, die Menschen zu verstehen bzw. sie verständlich zu machen.
Dass das über einen Zeitgraben von rund 80 Jahren hinweg funktioniert, dass Schwyzerdeutsch dem keinen Abbruch tut und erst recht nichts von ‚Heimattümelei‘ an sich hat, kann eigentlich nur am ungewöhnlichen Talent Friedrich Glausers liegen. Wie weit die Trennung durch Raum und Zeit auch sein mag, die Charaktere fühlen sich echt an, lebendig – und weit weg von den bloßen Plotfunktionen oder gerade mal Gesellschaftskarikaturen, die die meisten Figuren z.B. bei Agatha Christie in meinen Augen sind.
Vielleicht ist das ungerecht. Womöglich spielt da auch Geschmack und so etwas wie gefühlte biografische Nähe eine Rolle. Aber während ich beim Wiederlesen von Agatha Christies Werken hauptsächlich zu tieferen Einsichten in die Plotkonstruktion gelange (wogegen nichts spricht), habe ich bei Glauser auch nach dem vierten oder fünften Lesen eines Romans das Gefühl, ihm und seinen Figuren immer näher zu kommen und teils auch noch ganz neue Seiten zu entdecken.