Dampf im Pott

Das ist eine polemische und nicht ganz zutreffende Zusammenfassung dessen, was man hauptsächlich sieht, wenn man sich im Essener Grillo-Theater Volker Löschs Inszenierung „Rote Erde“ anschaut – da wird auf der Bühne soviel ‚genebelt‘, dass es zwischendrin an ein Hörspiel erinnert (und man sich fragt, ob dem Regisseur klar ist, dass der Kohlenstaub der Zechen wie auch der Ruß aus den Stahlhütten nicht grad weiß daherkam …). Gut, sehr gut allerdings, dass das Ganze einen ausgesprochenen hörenswerten Text hat.

Ausganspunkt des Stücks ist Peter Stripps gleichnamiger Roman, der so etwas wie den Gründungsmythos der Ruhrgebeites erzählt. Allerdings dürfte dieser zumindest außerhalb des „Potts“ erst durch die ebenfalls gleichnamige ARD-Serie (1983 bzw 1989) bekannt geworden sein. Aber nichts davon muss man kennen, wenn man sich das Stück in der Fassung von Volker Lösch und Beate Seidel ansieht. Wie sie die Ursprungsgeschichte, die in der Kaiserzeit angesiedelt ist und mit dem Ende des ersten Weltkriegs endet, mit modernen Ansichten des Ruhrgebietes verschränkt, ist ausgesprochen gut gelungen. Zu einem Gutteil wird dieses Gelingen von Laiendarstellern getragen – 12 junge Männer, die ihre eigenen Geschichten, Ängste und Träume wie ein polyphoner Chor (Einstudierung: Bernd Freytag) erzählen. Dagegen klingen die professionellen Schauspieler bei ihrem ersten Auftritt überraschend matt und sprachlich längst nicht so klar. Was sich jedoch im Verlauf des Stücks einpendelt …

Für viele Zuschauer geht es wohl um Verortung, um Traditionslinien, um einen Begegnung mit der eigenen Regionalgeschichte, sozusagen. Und man lernt ganz gewiss eine Menge über das Ruhrgebiet des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts (interessante Idee, dass man hier allem anderen stets 15 Jahre hinterhinkt, das würde so manches Manko des dauerbeschworenen Strukturwandels der Region erklären). Sehr schön, dass mir als langjährige Bewohnerin des Ruhrgebiets – ich lebe immerhin seit 1989 in Essen und wenn mich auch Zufälle hierher brachten, lebe ich ausgesprochen gerne hier – auch mal wer erzählt (dafür nehm ich dann auch die eine oder andere Länge in Kauf). Interessanter als alle Geschichte und Geschichten waren für mich jedoch die Sprachkunstwerke, die ich zu hören bekam und eben die kühnen Verschränkungen der Zeitebenen.

Fast müsste ich gleich bei nächster Gelegenheit noch einmal in dieses Stück gehen. Fast … denn in einem leider nicht ganz unwesentlichen Punkt versagt die Inszenierung kläglich: Nachdem im Black Out Maschinengewehrfeuer die Besetzer der Zeche und mit ihnen die Hoffnung auf Verstaatlichung der Zeche, Vergemeinschaftung des Eigentums, hinwegfegt, muss man sich als gänzlich unpassenden ‚Schluss‘ minutenlanges Schlaraffenlandgeschwafel anhören … was für ein Blödsinn. Und wie schade, dass man Schlussbilder & letzte Worte aus solchen Veranstaltungen immer so viel klarer mitnimmt als alles, was davor war.

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