Was ist deutsch? Und was nicht? Keine Fragen, die mich an sich bewegen. Da geht’s mir ähnlich wie Steff (Jannik Nowak) in Marianna Salzmanns Stück "Satt", das gestern in der Essener Casa seine zweite Premiere erlebte.
Goscha (Floriane Kleinpaß) dagegen treiben diese Fragen um. Russlanddeutsche, das sind sie, ihre Schwester Su (Sibylle Mumenthaler) und ihre Mutter (Jele Brückner) wohl – oder das wäre zumindest eine Schublade, in die man sie stecken, in der sie sich selbst verstecken könnten. Während die kleine Schwester Su ihr Heil im Internet sucht, wo sich jeder bei Bedarf neu erfinden kann, und prompt den Tod findet, als sie sich endlich mal in die reale Welt hinaus begibt, stürzt sich Goscha in die Randseiten des Lebens und stolpert dabei über eben jenen Steff, der nicht quatschen will, sondern was machen. Doch als aus Ubahntunneljagden und Containern (macht Überfluss satt oder sauer oder beides?) Bombenbau wird, läuft die Sache übelst aus dem Ruder und am Ende ist es Goscha, die sich und andere in die Luft jagt …
Das wäre eine Art, dieses Stück zusammenzufassen. Aber was Regisseur Moritz Peters daraus macht, bringt so viel mehr auf den Punkt – wie Mutter und Töchter aneinander vorbei reden, einander wohl schon gar nicht mehr verstehen können, weil sie verschiedenen Kulturen zugehören oder zugehören wollen oder sich davon ausgeschlossen fühlen – weil sie in Codes statt in Sprachen kommunizieren (interessant für mich als Wesen mit Vor-Internet-Onlineerfahrungen zu sehen, wie die Akronyme, die einst dazu dienten Bandbreite beim Mailen zu sparen, plötzlich hinterrücks in die gesprochene (Jugend)Sprache Eingang finden) – und all das, obwohl man schon den Eindruck hat, sie würden ja an sich gern miteinander reden.
Bloß ist das halt so eine Sache mit der Verständigung, wenn es um den Wechsel zwischen Kulturen und auch um Dinge wie Integration, Assimilation oder unbestimmten Widerstand gegen dummes Zeug geht. Peters führt die Figuren punktgenau, lässt sie so die poetische Qualität in Salzmanns Text wie auch die Wut dahinter unüberhörbar auf die Bühne bringen. Doch das vielleicht schönste Bild für Wollen und Scheitern, für Sehnen und Fürchten ist der transluzente Beton, die Ubahnwand, die Containerseiten, die Betonbunkerbegrenzung – eben das graue Band, auf das sich nicht nur Onlinespiele und Internettode projezieren lassen, sondern dass im richtigen Licht (Dirk Struwe) sogar einen Blick auf das Jenseits ermöglicht.
Ob Himmel oder Hölle, Mutters tröstender Wunschtraum oder was auch immer, das sei dahingestellt. Ansehenswert ist diese Inszenierung allemal.
Transluzent & Punktgenau
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