Ein Satz

Manchmal ist es ganz einfach ein Satz – ein einziger, gelegentlich sogar ein ganz einfacher Satz. Unscheinbar, versteckt zwischen vielen anderen steht er, gemeinsam formen sie eine Geschichte, groß, klein, komplex, sperrig, leicht oder schwer zu lesen. Man erwartet ihn nicht, es ist ja "nur" ein Buch, "bloß" ein Roman, eine Geschichte eben. Bis man auf den Satz stößt, und plötzlich alles anders ist und alles passt. In Ursula K. Le Guins Earthsea Quartet steht "mein" Satz auf Seite 580:

"… that a wrong cannot be repaired but must be transcended."
Naheliegend, vielleicht zu naheliegend. Wie so vieles an dem Buch für Autoren naheliegend, sozusagen leicht zu lieben sein dürfte – wie die Idee von Magie als dem Wissen um die wahren Namen der Dinge oder die Vorstellung von einer Schöpfungssprache, die auch das Ende aller Dinge enthält.
Aber all das – samt all der Menschen, Drachen, Wesen, der Geheimnisse und Geschichten, verblasst für mich hinter diesem einen Satz, diesem einen Gedanken: Was falsch ist, was verletzt oder zerstört wurde, kann nicht repariert, nur transzendiert werden.
Aber, wer weiß. Wahrscheinlich ist das nur mein Satz. Und vielleicht ist es sogar nur diesmal mein Satz, denn ganz offensichtlich hat er sich beim ersten Lesen vor rund 15 Jahren nicht so tief in mein Gedächtnis gegraben, dass ich ihn behalten hätte.
Wer weiß, was Monis Satz ist — oder war oder sein wird. Oder der eines beliebigen anderen Lesers. Vielleicht sind nicht nur Namen manchmal magische Sprach-Stücke. Wer weiß …

Dieser Beitrag wurde unter Schreibkram abgelegt und mit , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Ein Satz

  1. monica sagt:

    Nachdem ich jetzt noch mal alle Bücher durchhabe… und es sind fünf – an den letzten habe ich mich erst vor ein paar Tagen wieder erinnert und intensiv danach gefahndet… habe ich immer noch keine Erklärung dafür, warum ich diese Bücher so mag. Vielleicht, weil nicht alles schwarz/weiss ist. Weil auch „die Guten“ Fehler machen. Weil sich die Welt mit den Menschen mitverändert. Keine Ahnung. Ich mag sie einfach und ich lese sie immer wieder gerne. Und nachdem ich jetzt den fünften Teil wieder gefunden habe – der (Ab)Satz der mir am besten von allen gefällt (aus Teil 5):
    „I think,“ Tehanu said in her soft, strange voice, „that when I die, I can breathe back the breath that made me live. I can give back to the world all that I didn’t do. All that I might have been and couldn’t be. All the choices I didn’t make. All the things I lost and spent and wasted. I can give them back to the world. To the lives that haven’t been lived yet. That will be my gift back to the world that gave me the life I did live, the love I loved, the breath I breathed.“

  2. mischa sagt:

    Danke für den (Ab)Satz, Moni! Wobei – ein bisschen gemein ist das schon, denn nun möchte ich natürlich auch Band 5 lesen … *seufz* 😉

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert