Schmalrückig

Mag ja sein, dass es das Wort nicht gibt. Bloß – schmalbrüstig passt ja wohl kaum zu Büchern, deren einziges "anatomisches Teil" nun mal der Rücken ist. Und die Tatsache, dass dieser schmal ausfällt, ist wiederum so ziemlich die einzige Gemeinsamkeit zwischen den drei Büchern, die ich in den letzten Tagen gelesen habe. Verrückterweise ist das dünnste Bändchen – Volker Brauns Tumulus – zugleich das geschwätzigste …

Ich bin keine Lyrikexpertin und werd wohl nie eine werden. Aber wenn ich etwas an Gedichten schätze, ist es die Verdichtung selbst – eben dass Ausdruck wie Bedeutung gewissermaßen eingekocht, allemal auf das Wesentliche beschränkt werden, dass nicht um jedes Wort mehr, sondern um jedes weniger gerungen wird.
Tja. Dachte ich. Auf Tumulus trifft das nicht zu. "Altherrenliteratur" nannte es die Buchhändlerin der Nachbarin, die es mir lieh. "Geschwätzig", sag ich. Und mehr gibt es dazu wahrlich nichts zu sagen.
Magdalen Nabbs Tod eines Engländers liest sich für mich wie das heimliche Vorbild Donna Leons, mit deren Büchern ich nie warm wurde. Nabb müsste ich wohl einmal im Original lesen, denn die Übersetzung kam für mich merkwürdig altbacken rüber. Mehrfach schlug ich im Impressum nach, weil ich gar nicht glauben konnte, ein Buch aus den Achtziger Jahren in Händen zu halten. Nun mag es ja sein, dass das inzwischen länger her ist, als mir rein aus Gründen persönlicher Eitelkeit lieb sein kann – dennoch bin ich sicher, dass die Sprache der Achtziger nicht mit der der Fünfziger oder auch Sechziger zu verwechseln ist, und dass ausgerechnet Florenz 20 bis 30 Jahre hinterhergehinkt sein soll, kommt mir ebenfalls wenig glaubwürdig vor.
Der Krimi an sich war spannend, das schon, die Stadtbeschreibungen anziehend und plastisch, allerdings bin ich mir nicht sicher, ob die Geschichte eine innere Notwendigkeit besaß, dass sie etwas war, dass allein für die Autorin geschrieben werden musste. Sicher, niemand schreibt wohl immer in der Form "gedrängt", vieles mag Gedankenspiel, Verlagsanstoß oder auch einmal Vertragssache sein. Dennoch: Mir sind die notwendigen Dinge die liebsten, denn so hat auch Prosa eine Chance, sich mit dem Wesentlichen zu befassen …

Pollyanna von Eleanor H. Porter handelt von sehr notwendigen und wesentlichen Dingen, unter anderem von dem "Happy-Game", mit dem sich die Waise Pollyanna nicht nur selbst glücklich macht sondern darüber hinaus ein ganzes Dorf ins Glück setzt. Dass daran manches altmodisch ist, passt schon, schließlich ist dieser Kinderbuchklassiker das erste Mal 1913 erschienen.
Doch auch hier hab ich Bauchweh, bin ich zerrissen – so rührend und auch komisch die an sich erstmal tragische Geschichte Pollyannas ist, so genial wie simpel die Idee des "Happy-Games", es bleibt ein Beigeschmack: Wenn die Kinder sich selbst glückclich denken, weil es ja letztlich immer noch was schlimmeres gibt, als das, was einem Menschen widerfährt oder was er vermisst, so riecht das auch nach Ruhigstellen. Begehr nicht auf. Forder nichts ein. Sei lieber froh.
Okay, Eleanor H. Porter hat das so wohl nicht im Sinn gehabt. Mag sein, ich reagier hier rein aus meiner, unserer Geschichte heraus … und doch. Ein bisschen Pink (wie das Cover) ist schon in Ordnung. Sich selbst glücklich zu machen mit Sicherheit ein guter Gedanke. Aber es  sollte nicht alles sein für ein Kind …

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