Noch’ne Rezension

Schon verrückt: Seit September gab’s zu "Rattes Gift" zwar so manche höchst erfreuliche Kundenrezension bei Amazon, selbst Fanpost tauchte (in Maßen) auf, doch offzielle Buchkritiken fand ich keine. Bis letztes Wochenende eine in der WAZ erschien – und ich gestern eine weitere im Internet fand: "Über gute und schlechte Krimis" titelt Margit Weichold, und stellt im Magazin ‚Soziale Psychiatrie‘ fest: Im scharfen Kontrast zu der einfühlsamen Erzählung "Rattes Gift" von Mischa Bach, die einem hilft, die Welt aus je anderen Perspektiven zu sehen, steht ein außerordentlich simples Machwerk aus dem Hause "Law und Order": In James Pattersons Krimi "Die 6. Geisel" ist und bleibt die Welt sehr schwarz und sehr weiß. Mehr Auszüge aus ihrer sehr interessanten Kritik gibt’s im Folgenden …

Die verdeckte Ermittlern Charlotte „Charlie“ Kamann, in Sachen Drogenring und undichter Stelle bei der Polizei unterwegs, fällt während eines Schusswechsels dem Junkie und Kleinkriminellen „Ratte“ verletzt vor die Füße. Der bringt sie nicht ins Krankenhaus, sondern in sein Domizil, ein besetztes Haus, das man höflich als milieugetreuen Probenort einer aufstrebenden Punkband umschreiben könnte. Die Heldin findet sich im Gefolge unversehens an Orten wieder, die sie ansonsten nur im Kampfanzug sieht (z.B. in einem ländlichen Bordell, in dem sie frühmorgens mit den Liebesdienerinnen über die Verwendung von Tee philosophiert).
Das Verhältnis zwischen den Protagonisten entwickelt sich stürmisch: Er rettet ihr das Leben (und fixt sie dabei an, um ihre Schmerzen zu lindern) – sie schlägt ihn zusammen, er kapiert: Sie ist eine „Bullette“ – sie kapiert: Er löst Gefühle in ihr aus, denen sie lieber keinen Namen gibt. Sie fragt sich, ob sie gerade einer Variante des Stockholm-Syndroms unterliegt, er hilft ihr bei den Ermittlungen – gegen seinen eigenen Drogenlieferanten. Charlie und Ratte haben nichts gemein, doch zögernd gewöhnen sie sich aneinander. Rattes Hund, die Promenadenmischung „Lusche“, schnallt die Lage am schnellsten und freut sich bereits dann über den Familienzuwachs, als die beiden unter „Nähe“ noch das Sich-gegenseitig-an-die-Gurgel-Gehen verstehen.
Der Autorin gelingt in ihrem Ostfriesenkrimi „Rattes Gift“ das Kunststück, eine Liebesbeziehung zu zeigen, die es zwischen Kriminalbeamtin und Junkie eigentlich nicht geben kann; trotzdem kauft man ihr diese ab und versteht, warum sich Held und Heldin geradezu zwingend zueinander hingezogen fühlen – und dann wieder auseinanderstreben, z.B. als die Ermittlerin kurz vor der ersten gemeinsamen Nacht die unzähligen Einstichnarben auf seinem Körper sieht. Die Charaktere und Dialoge sind differenziert, oft auch witzig und charmant gezeichnet, das Verhältnis der beiden steht in der Erzählung an erster Stelle; trotzdem kommt auch „der Krimi“ nicht zu kurz und ist tempo- und spannungsreich erzählt.
Der Autorin gelingen wunderbare Milieuschilderungen; herrlich lakonisch zum Beispiel die Szene, in der der Dealer Ratte nicht nur die Droge überreicht, sondern gleich auch ein Schreiben, in dem der mehrmalige Abbruch einer Drogentherapie bestätigt wird – damit kann der Junkie in die Fixerstube und sich den Schuss unter cleanen Bedingungen setzen. Schön (und auch schlüssig dargestellt), wie der Kleinkriminelle seine, nun ja, relativen Vorstellungen von Besitz und Privateigentum (speziell Auto-Privateigentum) in den Dienst der guten Sache stellt.
Am Schluss ist die undichte Stelle bei der Polizei enttarnt und der Drogenring aufgeflogen, doch ob es für die Liebenden ein Happy End gibt? Vorläufig landet er im Bau, und ihr legt man nahe, wegen „so einem“ doch nicht ihre Karriere aufzugeben. Und doch ist sie „angefixt“, kreist in ihren Adern unwiderruflich „Rattes Gift“ – und mit Gift ist hier nicht der Schuss gemeint, den er ihr zu Beginn verabreicht.
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Quelle: Soziale Psychiatrie, zitiert nach: Psychiatrie.de
Autorin: Margit Weichold

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3 Antworten zu Noch’ne Rezension

  1. Britt sagt:

    Das ist ja mal eine geile Rezension! Besonders der Schlusssatz mit Rattes Gift, das in ihren Adern kreist, hat mir gut gefallen, denn unter diesem Blickwinkel hatte ich den Titel „Rattes Gift“ noch gar nicht gesehen.
    Ich find’s immer noch tragisch, dass das mit dem Delia-Preis nicht geklappt hat! Jammerschade, was der Jury da entgangen ist!

  2. mischa sagt:

    Argh. Nein, nicht wegen der Kritik, die ist in der Tat wunderbar, und noch viel schöner, dass sie mir einen Kommentar von dir bringt (wo ich seit gefühlten 100 Jahren nicht zum mailen komme … *schäm*), nee, wegen der Delia. Vor allem, weil ich nicht mal weiß, auf wen ich da sauer sein soll, dass das mit dem Ratte-Einreichen nicht geklappt hat … 🙁

  3. Jennifer sagt:

    Absolut unglabuliche REzi! Mirg efällt auch der Ton, den die Dame anschlägt 😉 Super!! Glückwunsch! Naja und lass dich vom – nicht erhaltenen – Delia bloß nicht runterziehen. Wir wissen doch alle, wie subjektiv diese Sachen sind. Und alles passiert aus einem GRund, den man vorher gar nicht weiß. Vielleicht sollte die Jury nicht „Angefixt“ werden *G* Ich liebe dieses Wort *G*

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