Manche Menschen tun alles mögliche, um sich selbst zu entfalten. Ich find’s grad umgekehrt sehr spannend zu sehen, wie sich die Dinge in meinem Leben plötzlich und unerwartet zusammenfügen. Z.B. Theorie und Praxis, Lehre und, nein, nicht Forschung, sondern, nun ja, das Schreiben, die Kunst.
Als ich anfing, Literaturwissenschaften zu studieren, mich auf Erzählforschung und Filmwissenschaften spezialisierte, da tat ich das durchaus mit Blick auf ein praktisches Ziel. Filme zu analysieren, Erzählformen zu verstehen, das sollte ja wohl auch beim Drehbuchschreiben hilfreich sein, so dachte ich damals. Das war es auch; nicht umsonst hab ich noch als Studentin bzw. Doktorandin Drehbücher geschrieben und verkauft …
Dass ich "nebenbei" entdeckte, auch unabhängig von solche praktisch-künstlerischen Erwägungen haben akademische Dinge ihren Reiz, das schien mir seinerzeit lediglich eine Art Bonus und zudem das, was mich überhaupt soweit kommen ließ, dass ich glatt eine Dissertation verfasste. Doch schon meine letzten wissenschaftlichen Veröffentlichungen – ein eigener Artikel in einem erzählwissenschaftlichen Sammelband und drei übersetzte Beiträge für Vogts neuaufgelegtes, erweitertes Standardwerk Der Kriminalroman kamen sozusagen zu spät: Als sie 1998 erschienen, hatte ich der Uni den Rücken gekehrt und mich ganz der freien Kunst verschrieben bzw. dem hoffentlich halbwegs künstlerischen Schreiben frei und willig zugewandt. An der Uni, so schien es, gab es für eine eigenwillige Exotin wie mich keinen Platz.
Nun, über zehn Jahre später, kehre ich also zunächst als Besucherin zurück. Ich entdecke die Wissenschaft, die Theorie wieder, lese endlich die beiden erwähnten Bücher (teils wieder, teils zum ersten Mal) und bin seltsam fasziniert. Damit hatte ich nicht gerechnet – dass es so gut passen würde, dass es auf eine eigene Art Sinn macht, spannend ist, nun, als Schriftstellerin, als praktizierende Erzählerin, zurückzukehren zu meinen eigenen akademischen Wurzeln, wiedereinzutauchen in den merkwürdigen Kosmos der Universität.
"Kriminalliteratur als kulturelle Praxis" werde ich demnächst hier in Essen unterrichten. Und ich bin höchst gespannt, wie diese lehrend-lehrreiche (schließlich lerne ich selten so viel wie beim Unterrichten) Begegnung aussehen wird – die zwischen den Studenten von heute und mir, dem Schriftstellerdozentendings und auch die zwischen mir heute und mir einst. Ist sicher auch eine Form der "kulturellen Praxis". ;-)))
P.S.: Das ist Theorie ohnehin. Dank eines der Aufsätze in Grenzüberschreitungen. Narratologie im Kontext hab ich mir einen Roman von Jeannette Winterson (Written on the Body) bestellt. Und Walter Benjamins Kriminalroman, auf Reisen werd ich wohl am kommenden Dienstag mit nach Neuwied nehmen …