Nostalgisch morden?

"Lasst dicke Bücher um mich sein" – zumindest auf Reisen. Am Wochenende zwischen Saunagängen und Bahnhöfen war’s Andrew Taylors "Im Zeichen des Raben": Sehr britisch forscht ein Mann einem unklaren Todesfall seiner Jugendzeit nach …

… allerdings hatte ich nicht nur Mühe, die diversen Freundschafts-, Verwandschafts-, Paarbeziehungen mit und ohne Seitennsprünge, Scheidungen und Partnerwechsel nachzuvollziehen, auch die Zeitebenen auseinanderzuhalten, war alles andere als einfach.
1964 ist die Zeitebene der Jugend(mord)geschichte, das ist mal klar. 1991 erschien das Buch zuerst auf Englisch. Aber das scheint doch arg spät für die Hauptzeitebene, denn in der tummeln sich nicht nur die 64er-Jugendlichen, sondern auch noch die meisten ihrer Eltern … hinzukommt, mir war die Notwendigkeit nicht klar, warum der Tod des Freundes 1964 – und nicht zehn Jahre früher oder später – statt finden muss und weshalb die zweite Zeitebene gar nicht benannt wird.
Okay, gelegentlich ist mein Zeitgefühl genauso miserabel wie mein Namensgedächtnis, aber für gewöhnlich stolpere ich darüber im Leben und nicht in der Literatur. Und der Roman las sich sonst ja auch recht spannend, bloß manchmal etwas zäh, etwas zu geschwätzig … woher kommt der Drang, Jugend- und Erwachsenenerzählungen zu mischen? Sind das Autorenzeitreisen – eben sehr persönlich-nostalgische Dinge? Oder geht’s um was anderes?
Ist ja nicht so, dass Zeitlöcher und dergleichen Thema der Geschichte wären oder für deren Struktur nötig (wie ich’s bei meinen eigenen Geschichten mit mehreren Zeitebenen hoffe respektive beabsichtige). Der Tod des Jungen hätte auch im Jetzt statt finden und aufgeklärt werden können. Was ist also der genaue Zusatznutzen?
Bei einem Buch mit derart viel Personen geht’s ja nicht an, sich tiefgründig mit den Veränderungen und Entwicklungen derselben im Lauf der Zeit auseinabderzusetzen. Vielleicht ist es also Nostalgie … und damit wär klar, was ich nicht kapiere, denn bei einer so "gemischten" Vergangenheit wie der meinen, kommt Nostalgie nicht wirklich auf. Dafür ist mir zu klar, dass beileibe nicht alles früher besser war.
Die Literatur war’s wohl auch nicht. Aber wer Nostalgie mit britischem Flair mag, Zeitkolorit rund um Mods und Rocker sucht, der ist bei Andrew Taylor goldrichtig.

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