Oh wie schön ist Wunderland

Nein, ich meine jetzt nicht das 3:2 der Türkei heute abend. Sondern "Alice", die Roland-Schimmelpfennig-Dramatisierung von Lewis Carrolls (Kinderbuch)Klassiker. Inszeniert hat es Viktor Bodó und das ist wörtlich zu verstehen, denn der Ungar hat nicht ’nur‘ Regie geführt, er hat auch die Bühne zugleich offen mit Blick bis auf die Hinterbühne und abgründig, voller Falltüren und magischer Möglichkeiten gestaltet. 

Wow, kann ich nur sagen, und das in jeder Hinsicht. Was die Schauspieler (zusammen mit der Technik, der man bei Auf- und Umbauten auf offener Bühne zuschauen kann) dort zeigen, ist manchmal geradezu unglaublich und, so leid es mir tut, über weite Strecken kaum zu beschreiben. Sprechtheater der magischen Art trifft auf absurdes Theater, Dada-Anklänge mischen sich mit surrealistischen Eindrücken mitten in all der Poesie aus Sprache und Aktion mischt die Musik (Jazz meets Brecht respektive Weill und Modernes mit und ohne Melodie, stets aber mit Rhythmus) mischen Tanz und Akrobatik immer wieder die Karten neu.
Überraschend, teils auch gewaltig, komisch, überwältigend und viel, viel mehr als nur Worte. Alices Identitätssuche als fantastisch-groteske Verpuppung, das geht weit über die Verwandlung eines Kindes hin zu einem Erwachsenen respektive Teenager hinaus. Das Unbehagen, das Carrolls Text für mich zumindest wie auch sein Leben an dieser Stelle enthält, wird nicht weggewischt, sondern Teil eines größeren Ganzen. Und von Roland Schimmelpfennig bemerke ich nichts. Was nach meinen bisherigen Erfahrungen endlose Langeweile bei "Ambrosia", soapseichte Texte der unterirdischen Art in der "Arabischen Nacht" – ungemein positiv, ja, geradezu wunderbar wirkt.

Mir fehlen in der Tat die Worte und genau für dieses Erlebnis bin ich dem Schauspiel Graz und da allen voran Andrea Wenzl (Alice), die hier jedoch stellvertretend fürs ganze Ensemble samt Musikern genannt sei, höchst dankbar.
Also … falls Sie demnächst in Graz sind, schauen Sie sich unbedingt "Alice" an. Und mich entschuldigen Sie jetzt bitte, ich muss mein Bücherregal unbedingt nach Carrolls Buch durchsuchen.

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3 Antworten zu Oh wie schön ist Wunderland

  1. Lillih sagt:

    ich kann nur voll und ganz zustimmen. 90min und kein bißchen langweilig. also ganz anders als die meisten spiele der em im moment *grins*

  2. mischa sagt:

    schade nur, dass das besonders spannende (egal, wo gespielt) meist auch das besonders seltene ist 😉
    mischa

  3. Silke sagt:

    Jaaaaaa, stimmt genau…

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