… und das in mehrfacher Hinsicht, denn dank Unterbrechung durch Klempnerbesuch (immerhin diesmal wohl erfolgreich, was die Heizung angeht! :-)) ging meine erste Version des Textes verloren. Dabei sind die Gefühle und Gedanken zum Probenbeginn in Reutlingen ganz und gar nichts, was man allzu leicht verlieren könnte. Mitzuerleben, wie fiktionale Figuren sich aus der Deckung des Textes wagen, Gedankenkinder Gestalt annehmen und die weitere Gestaltung in die Hände der Regie gelegt wird, das war schon was ganz besonderes.
Darauf war ich auch nach zwei Jahren praktischer Theaterefahrung hinter der Bühne mit zigfachen Endproben aus Sicht der Beleuchtung nicht vorbereitet. Endproben eines fremden Stücks sind halt schon was anderes als die ersten Schritte des eigenen Textes auf einer (Proben)Bühne mitzuerleben.
Wie soll ich das beschreiben? Wenn ich an einem Text arbeite, sind mir die Figuren darin so nah und vertraut wie Traumgestalten. Ich kann zwar nicht genau sagen, ob sie blond oder schwarzhaarig sind, wie dick, dünn, groß oder klein sie sind, aber ich würde sie jederzeit erkennen.
Auf eine Art ist mir ganz genau das letzten Freitag & Samstag bei den Proben zu Die Türen in Reutlingen passiert. Statt in meinem Kopf und (hoffentlich) im Text standen sie plötzlich vor mir, meine Figuren. Live und in Farbe. Ich hätt um sie herumlaufen, sie anfassen und sie sogar fragen können, wie’s sich anfühlt, diesen oder jenen Satz auszusprechen, in der einen oder andern Situation zu stecken.
Zugleich waren es natürlich auch die Schauspieler, die Menschen, die am Abend zuvor in meiner Lesung gewesen waren, mit denen ich Bier getrunken, geredet und gelacht hatte. Mithin war’s ’ne doppelte Verwandlung – mindestens.
Ich könnte Seiten um Seiten mit dem füllen, was sich in mir und um mich abspielte, während ich neben Lillih und Helga (ja, Bühnenbildner sind auch bei Proben dabei) saß und Nadine, Galina, Christiane und Sylvan zusah, wie sie Pen, Nessa, Tess/Lea und Silas wurden. Aber erstens hab ich heut schon mal einen langen Text fürs Blogg verloren und zweitens muss fürs Publikum ja schon noch das eine oder andere Geheimnis erhalten bleiben.
Denn das war auch so ein Ding: Nicht nur die Figuren & mein Text werden in Reutlingen grad zum Leben erweckt, damit gelangen auch Aspekte meiner inneren Wirklichkeit auf die Bühne. Dem zuzusehen hatte auch etwas überwältigendes, zeigte es mir doch ganz persönliche Bedeutungen des Textes, die bislang unbewusst blieben. Und bei solchen geradezu intimen Prozessen hab ich lieber kein großes Publikum.
Auf das freu ich mich in der Premiere. Und hoffe zugleich, dass ich vielleicht doch noch eine der Endproben sehen kann, bevor es wirklich und unwiderruflich so weit ist, dass die Zuschauer, die Öffentlichkeit eben, durch Die Türen tritt und dann unser aller Visionen zum Thema Multiple Persönlichkeiten begegnen.