Kann man ein Werk von Büchner, der beinahe so wortgewaltig wie Kleist und obendrein zumeist noch gedankenlastiger ist, tanzen? Oder: Wie lässt sich absurdes Theater choreographisch-musikalisch umsetzen? Christian Spuck hat sich nicht lang mit Fragen aufgehalten sondern losgelegt und kleine Wunder bewirkt. Wie schön, dass das Aalto sein Ballett Leonce & Lena wiederaufgenommen hat.
Gepflegte Langeweile gepaart mit kindischem Trotz gegen königlich-elterliche Willkür. Das beschreibt Leonce wie seinen Vater den König – und Lena, die er heiraten soll, gleich mit dazu. Gäbe es nicht seinen Kammerdiener und Freund, der ebenso fürsorglich wie intrigant (in der Bühnenfassung) bzw. so verrückt wie charmant (in der Ballettversion) ist, würde darauf womöglich nichts.
Ob Ennuie des Prinzen, Vergesslichkeit und Marotten des Königs, oder die Lebensfreude des prinzlichen Freundes – für alles und jeden entwickelt Spuck eine eigene Sprache. Der Hofstaat ist geziert bis ins Absurde (und weist mit dem Magister einem Tänzer die spannende Aufgabe zu, mit Grazie ungelenk zu sein), die Landbevölkerung dagegen eher tölpelhaft. Und wo das Spiel des Flirts noch gespreizt und überspitzt scheint, wird die Liebe fließend, wunderschön.
So kitschig werden Krimiautoren, die, statt Fußball zu gucken, ins Ballett gehen. Aber so schön ist eben das, was Spuck aus Büchners Lustspiel (für mich schon immer ein Vorläufer des absurden Theaters und zugleich der Versuch, unsagbares zu sagen) mithilfe von Johann Strauss, Martin Donner, etc. macht. Und so viele Details gibt’s da zu bestaunen, dass ich schon überlege, ob ich es mir nicht noch ein zweites Mal anschauen soll. Während des Viertelfinales der EM gäb’s schon noch eine Gelegenheit – und dann könnte ich mir auch ein ausführliches Programm besorgen und die Namen der Tänzer und Tänzerinnen nachschauen. Seltsamerweise schweigt hierzu nämlich die Webseite des Aaltos. Als hätte man etwas zu verbergen 😉
Absurdistan formvollendet
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