1:3

Nein, das ist nicht das Ergebnis des diesjährigen Spiels des FC Criminale (der verlor im Hochsauerlandkreis mit respektablen 2:4). Das ist vielmehr die Wertung meiner Reiselektüre: Andreas Altmann, Simone Buchholz, Jeffery Deaver und Reginald Hill begleiteten mich ins Vogtland und ins Hochsauerland, doch während ein Buch in der Pension und ein weiteres auf der Zugstrecke blieb, gab ich das dritte erleichtert seiner eigentlichen Besitzerin zurück und behielt gerade mal eines.

Simone Buchholz‘ Knastpralinen schien auf den ersten Blick ein weiteres, nerviges Produkt der Präsensseuche, doch, oh Wunder, daran gewöhnte ich mich schneller als gedacht. Ich bin mir zwar sicher, die Kodderschnauze der Ich-Erzählerin hat solche Tricks gar nicht nötig, weil selbst wahrlich genug Präsenz, aber, sei’s drum. Schließlich sind alle Figuren dieses Buches ein bisschen größer, bunter, härter, verrückter als im wahren Leben, aber zum Weiterlesen verlocken sie allesamt.
Leider ist der Plot fürchterlich dünn bis durchsichtig. Nicht zuletzt wegen des mal wieder arg verräterischen Klappentext hatte ich lange Zeit die Hoffnung, gar so offensichtlich und banal, wie es sich dort und auf den ersten Seiten darstellt, würde es schon nicht werden. Doch. Es ist genauso platt wie das Denken der Werbeabteilung des Verlages und so fühlte ich mich am Ende ziemlich verarscht. Schade eigentlich, da hätte mehr drin sein müssen.
Jeffery Deavers Blutiger Mond dagegen war so grottenlangweilig, nervte mit einer solchen Unzahl wirr gesetzter Perspektiven, die nur noch durch die schiere Menge an Klischees übertroffen wurde, dass hier das eingeschobene Präsensgerausche kaum mehr ins Gewicht fiel. Selbst auf einer reichlich langen Zugfahrt hatte ich nicht so viel Zeit meines Lebens zu verschwenden, dass ich mir diesen Schwachsinn bis zum Ende gegeben hätte.
Andreas Altmanns Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend hatte ich sinnvollerweise gar nicht mit auf Reisen genommen, sondern zuhause auf  dem Klo liegengelassen. Als Scheißhauslektüre zum Wegblättern, Querlesen und Beiseitelegen taugt das Machwerk geradeso. Eine der Autobiographien, wo man nur allzu schnell weiß, warum es wohl für den Autor nötig war, sie zu schreiben, wo sich aber absolut nicht erschließt, warum das jemand lesen sollte. Wie dieses Ding es auf die Bestsellerlisten schaffte (sind Altöttinger so leicht zu schocken, Katholiken so leicht zu ködern?) und dabei seinen Autor auf Talkshowtournee brachte, weiß der Geier. Ich weiß es nicht.
Aber dann kam Reginald Hill und ich griff zu Midnight Fugue. Ein ungaubliches Buch, dicht, packend, spannend, sprachlich ausgereift – durchkomponiert wie eine Fuge, mit einer Einheit von Zeit und Ort, die einem Stück alle Ehre machen würde, führen die Protagonisten dabei nicht teils doch weite Strecken quer durch England. Und weil ich niemand den Spaß am Lesen verderben will, verrate ich nicht mehr als diesen einen Lieblingsabsatz von vielen, wo ein gewisser Seymour eine Auseinandesetzung von Superintendent Daziel (alias The Fat Man) und DI Pascoe beobachtet: "Seymour, who had been watching this confrontation of giants with fascinated interest, mentally noting every phrase and inflexion for the historical record, now focused all his attention on Pascoe. Was this the moment when Spartacus threw off his chains? When Fletcher Christian put Captain Bligh in the longboat and set him adrift?" (p. 345)

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