Laut Duden bedeutet „im Trüben fischen“ umgangssprachlich unklare Zustände zum eigenen Vorteil ausnutzen. Schön wär’s, kann ich da nur sagen, denn zur Zeit ist das noch die treffendste Beschreibung, die ich für meine derzeitige Arbeit an ein bis zwei Romanen finden kann – aber zu meinem Vorteil ist daran gar nichts. 🙁
Es treibt mich schier in den Wahn: Wochen-, ja monatelang hatte ich das Gefühl, ich bin auf dem richtigen Weg. Ich kenne meine Figuren, ich weiß, wo es hingehen soll, ich stecke den Rahmen ab, kläre Details, und bewege mich dabei auf den Punkt zu, an dem ich mit dem Schreiben des eigentlichen Textes anfange — oder halt feststelle, dieser oder jene ‚Testanfang‘, dieses oder jenes Teststück aus Sicht einer Figur ist dessen Beginn. Alles läuft, alles im Fluß, es hakt höchstens zwischendrin mal den einen oder anderen Tag, weil gerade bei den Vorbereitungen einer Geschichte viele Entscheidungen zu fällen sind, und man manche davon gründlicher bedenken muss.
Alles, was fehlte, so schien es, war der Anfang. Okay, gut, da war noch die immer wieder schwankende Entscheidung, wie ich mit den drei potenziellen Hauptfiguren perspektivisch umgehen will: drei Perspektiven? Nur zwei als aktive Erzählende, die dritte als Spurenhinterlasserin (Zeugenaussagen etc.) und ‚Lieferantin von objets trouvés‘, also als Tagebuch- und Briefschreiberin? Oder vielleicht doch nur eine Perspektive? Aber welche sollte meine zentrale solche sein?
Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen: der Plot, es ist mal wieder der verdammte Plot, der mir fehlt. Schon wieder. Denn zu dieser speziellen Geschichte ist das, was sich gerade im Trüben verknotet und unter der Wasserlinie zu ersticken droht, mindestens der dritte Anlauf.
Was nun? Wieso kann ich diese Geschichte nicht einfach erzählen – oder ein für allemal in die Tonne treten? Was lässt mich stets zu ihr zurückkehren, nach teils mehrjährigen Pausen, jedes Mal in dem freudigen Gefühl, diesmal müsste es aber klappen, diesmal hätte ich ein taugliches Ende des roten Fadens, einen geeigneten Köder erwischt, um damit erfolgreich im Trüben zu fischen?
Ich meine, andere Ideen für Romane, Drehbücher und Stücke, die sich als Sackgassen erwiesen, konnte ich ja auch loslassen. Nur zwei Projekte scheinen immer wieder zu mir zurückzukommen – wobei das zweite Projekt strenggenommen noch nicht mal Hauptfiguren, sondern lediglich einen reich bevölkerten Mikrokosmos, eine Flussinsel mit Kloster und Internat, hat.
Und da hakt es plötzlich erst recht. Denn sowohl die drei Romane, die bereits erschienen sind, als auch ihr vierter, unveröffentlichter aber fertiger Bruder haben solch langwierige, gebrochene, mäandernde Entstehungsgeschichten hinter sich.
Mist. Muss ich also doch zurück ans Werk, mich selbst samt Zweifeln aushalten und weiter im Trüben fischen, in der Hoffnung, dass am Ende dann doch der Duden recht hat, und das alles zu meinem Vorteil oder doch dem meines Schreibens geschieht …
P.S.: Ja, ich weiß, Kultursumpf hatte ich als Kategorie ursprünglich mal eingeführt, um über geplante Streichungen im Kulturbetrieb und deren Auswirkungen zu schreiben. Aber Sümpfe sind so passend trüb, und weil ich keine neue Kategorie aufmachen will, nehme ich jetzt eben diese.
P.P.S.: Wobei es natürlich auch etwas von einer gordischen Verschlingung oder wenigstens einem wilden Salat hat – weshalb Wörtersalat ebenfalls passend erscheint. 😉