Es gibt manchmal seltsame Zufälle: Vor einer ganze Weile schenkte eine Freundin mir den britischen Kinderbuchklassiker The Little White Horse von Elizabeth Goudge. Erst als die Jurylesestapel abgebaut waren und mir überdies eine Nachbarin Das Zauberpferd von Magdalen Nabb lieh, fiel es mir wieder in die Hände. Und dann haben mich beide Bücher nacheinander verzaubert …
Das Zauberpferd ist das jüngere und kürzere von beiden – eigentlich eine Mischung aus einer Art Weihnachtsgeschichte und einem Märchen, wobei es zugleich von Freundschaft und Fantasie erzählt. Absolut aufs Wesentliche beschränkt, dafür mit einer ebenso klaren wie poetischen Sprache skizziert Nabb das Porträt eines einsamen Mädchens, das als einzige seiner Bauernfamilie einen Sinn fürs Zauberhafte hat. Dabei bewegt sich die Geschichte ständig auf einem ganz schmalen Grat zwischen so etwas wie "ländlichem Realismus" (eben dem Denken der Bauerneltern aber auch der rationalen Welt, in der erwachsene Leser zumeist leben) und der kindlichen Fähigkeit, dahinter den Zauber der Märchen und Feengeschichten zu sehen.
Bei Goudge könnte man womöglich drüber streiten, wieviel Realismus ihr Buch enthält – aber das mag zum einen der Blick von heute zurück sein (das Buch erschien erstmals 1946 und die Handlung spielt rund 100 Jahre zuvor im Viktorianischen Zeitalter) und zum anderen nur aus Sicht von Nichtbriten der Fall sein. Geistererscheinungen gehören auf den Inseln schließlich genauso zum Alltag wie die Neigung, alles und jeden möglichst auf 1066 und William the Conqueror zurückzuführen. Das verschiebt den Blick schon mal bzw. eröffnet Perspektiven, die für Teutonen und andere aus unerfindlichen Gründen wenig realstisch halten.
Dabei kann man als Schriftsteller nur auf die Knie sinken vor Goudges Fähigkeit, mit wenigen Worten so lebensechte Figuren zu erschaffen, wie man sie sonst eher nicht in märchenhaften Settings erwartet. Auch hier gehört das Wandeln auf dem schmalen Grat zwischen handfestem Diesseits und feengleicher, geisterhafter Anderwelt zur Basis des Kunst-Handwerks. Hinzu kommt, dass die Figuren nicht zuletzt deshalb plastisch erscheinen, weil sie zwar einerseits ganz klaren Rollen zugeordnet werden, anderseits aber noch vielmehr zu bieten haben: So ist die Heldin in der Prinzessinnenrolle, Maria Merryweather, eigentlich viel zu eitel und neugierig, um zu bestehen, doch gerade der Kampf mit diesen "schlechten Eigenschaften" macht sie so glaubhaft wie liebenswert. Die Gouvernante ist nur scheinbar eine von Verdauungsproblemen geplagte, alte Jungfer – ebenso wie der aus Marias Sicht "uralte" Dorfpfarrer sich am Ende als deren große, aber Dank väterlicher Borniertheit verlorengeglaubte Liebe des Lebens erweist, etc.
Und am Ende … nun ja, das Ende soll nicht verraten werden. Nur so viel: Mir standen Tränen in den Augen.
Und das passiert mir so gut wie nie …. das bekommt sonst höchstens Mal das Leben hin.
Wild Horses
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