Der letzte ganze Tag auf See

An Tag 10 unserer Reise überqueren wir erneut den Polarkreis und verpassen die frühe Zeremonie auf Deck 7, weil wir derweil drinnen in Ruhe frühstücken. Anschließend steht das tägliche Treffen mit dem Küstenerlebnisteam zur Abwechslung mal am Vormittag statt am Nachmittag an.

Endlos weit scheint der Himmel überm Meer …

Wie jeden Tag gibt es Informationen über den heutigen Abschnitt der Reise, die erwarteten Wetter- und Meeresbedingungen, die Häfen, die wir anlaufen und die Ausflüge, an denen man teilnehmen kann. Und es findet die Preisverleihung des Fotowettbewerbs statt – mit Live-Schalte in den zweiten Konferenzraum, in dem dasselbe Treffen auf Englisch läuft. Mit viel Tamtam, fast wie beim Oscar, nur ohne goldene Statue, werden erster und zweiter Preis verliehen. Dann macht Laura, unsere Moderatorin, eine kurze, bedeutungsvolle Pause, bevor sie verkündet, dass diese beiden die einzigen Fotos waren, die eingereicht wurden. Überraschte Stille, dann Lacher, Gemurmel. Offenbar war es den anderen ähnlich ergangen wie uns. Bei all den vielen Menschen an Bord, die so viel größerer, teurer, professionellere Kameras dabei hatten und wo dem Vernehmen nach nicht wenige an den immer wieder angebotenen Fotoworkshops an Bord teilgenommen hatten, hatten wir nicht mal einen Gedanken darauf verschwendet, ob wir ein Foto einreichen sollten …

… und sieht jeden Augenblick anders aus, wie hätten wir uns da für ein Bild entscheiden sollen?

Danach passen wir bei der Signierstunde mit den Offizieren – sie alle verdienen unseren Dank und unsere Anerkennung, doch ich hab es nicht so mit dieser Art Andenken und schon gar nicht mit Schlangestehen und passieren wenig später die berühmte Bergkette der Sieben Schwestern, zu der es einen Interessenpunkt an Bord gibt. Wir nutzen anschließend die Gelegenheit, uns gemütlich im Liegestuhl an Deck liegend den Fahrtwind um die Nase blasen zu lassen, bevor es zum Mittagessen ins Restaurant und schließlich zur Captain’s Speech in der Panoramabar geht. Wir hören uns die wie immer mehrsprachigen Reden an, schenken uns jedoch den Andrang beim Sekt. Festlich ist das Ganze ja auch ohne Alkohol, und ob der mir die Melancholie dieses letzten ganzen Tages an Bord genommen hätte, bezweifel ich sehr.

Wann genau ich die Koffer in all dem Trubel packte – es gab ja auch noch die Vorführung des Films unserer bisherigen Reise -, ob das vor oder nach dem Landgang in Brønnøysund war, kann ich rückblickend gar nicht mehr sagen. Die kleine Stadt Brønnøysund liegt genau in der Mitte zwischen Nord- und Südnorwegen und ist vielleicht der einzige Ort der Welt, wo sie die Bürokratie lieben. Die meisten Norweger scheint es nämlich nach Oslo und dann noch in die größeren Universitätsstädte wie Trondheim und Bergen zu ziehen. Um dem entgegenzuwirken, hat Norwegen jede Menge zentralisierte Bürokratie (darunter auch das Äquivalent zur deutschen Verkehrssünderkartei in Flensburg) hier angesiedelt und damit Arbeitsplätze geschaffen. Und die Stadt wirbt weiterhin aktiv um Zuwanderer, was für eine Verlockung! Ob sie allerdings Verwendung für eine ältere Autorin und Dozentin wie mich hätten, die darüber hinaus nur Deutsch und Englisch spricht, weiß ich nicht. Wir nutzen dennoch die gut zwei Stunden, die wir hier im Hafen liegen, für einen kleinen Spaziergang inklusive des Gedankenspiels, wie es wohl wäre, hier zu leben … schön ist es allemal, wie überall auf unserer Reise!

Zurück an Bord erwartet uns noch eine besondere Aktion des Küstenerlebnisteams: Sven, Laura und Magnus bringen mit Espen Askeladden eine humorvolle, improvisierte Version eines norwegischen Märchens auf die Bühne oder vielmehr in den Konferenzraum. Die Geschichte um die Prinzessin (Laura), die sehr zum Gram ihres königlichen Vaters (Sven) nie die Klappe halten wollte, bis sie dem bauernschlauen Espen (Magnus) begegnet, erntet großes Gelächter und viel verdienten Applaus.

Danach gibt es am frühen Abend noch einen letzten Interessenpunkt an Deck: Torghatten, den Fels mit dem Loch, zu dem manche unserer Mitreisenden heute eine recht anspruchsvolle Wanderung unternommen haben. Und schließlich erwartet uns als letzter Programmpunkt das Captain’s Dinner. Ganz ohne große Garderobe, Reden oder Torten mit Glitzer, wie mancher es nach zu viel „Traumschiff“-Konsum erwartet haben mochte, war es ein weiterer kulinarischer Höhepunkt zum Abschluss dieser wahrhaft köstlichen Reise. Ich hoffe, die Köche nehmen mein Kompliment samt Bitte um ein Kochbuch mit ihren Rezepten ernst – ich würde es lieben, eines Tages ihre Gerichte nachzukochen, wobei die veganen Süßigkeiten wirklich der Hammer waren!

Das war er also, unser letzter ganzer Tag an Bord der MS Richard With, denke ich wehmütig, als wir uns schließlich in unserer Kabine hinlegen und mich ein letztes Mal das Meer in den Schlaf schaukelt.

Dieser Beitrag wurde unter Unterwegs abgelegt und mit , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert