Tag fünf beginnt mit guten Aussichten – für uns, weil wir für den Vormittag einen Platz bei der Brückenbesichtigung ergattert haben und für unsere mitreisenden Kuschels. Diesmal hat das Housekeeping ihnen den besten Platz in unserer Kabine verschafft, und die vier scheinen das richtig zu genießen:
Von der Brückenbesichtigung hatten wir zwei Tage zuvor beim täglichen Meeting mit dem Küstenerlebnisteam erfahren, als die drei uns neben dem, was uns auf dem aktuellen Küstenabschnitt der Reise erwartet von der Hurtigruten Stiftung berichteten. Und was soll ich sagen? Diese Führung, die in keinem Katalog zu finden und auch nicht im Voraus im Reisebüro zu buchen ist, war für uns eines der Highlights der Reise.
Laura, die Leiterin des Küstenerlebnisteams, sammelte unsere kleine Gruppe auf Deck sechs ein. Um auf die Brücke zu kommen, muss man durch einen der beiden „Suitenkorridore“ (die auch nicht anders aussehen, als die vor den Kabinen ein Deck darunter, nur dass hier oben der Abstand zwischen den Türen größer ist). Auf der Brücke erwartete uns der dritte Offizier, der die Führung wohl ähnlich aufregend fand wie wir Gäste. Er erklärte uns die Bedeutung der verschiedenen Monitore, Gerätschaften und Plätze (in den seitlichen Erkern gibt es alles, was man zum Steuern beim Anlegen braucht, jeweils noch einmal) und beantwortete allerlei technische und nautische Fragen.
Nach der eigentlichen Führung standen wir im Treppenhaus von Deck sechs noch eine ganze Weile mit Laura zusammen, die uns einen Einblick in das Leben der Crew an Bord gab. Auf norwegischen Schiffen gilt für alle Angestellten der sogenannte Kollektivvertrag, der nicht nur innerhalb der verschiedenen Berufsgruppen für gleich Löhne sorgt. Vielmehr bedeutet das auch, dass der größtmögliche Abstand zwischen den Gehältern an Bord 1:6 beträgt. Anders ausgedrückt, Ausbeutung wie auf den bekannten, riesigen Kreuzfahrtschiffen von Aida, MeinSchiff & Co., gibt es hier nicht – was umgekehrt den Preisunterschied zwischen Reisen mit diesen Anbietern und Hurtigruten erklärt. Und wer will schon, dass das eigene Reiseglück auf dem Unglück anderer beruht? Eben. Zu reisen, wo andere gerne arbeiten, macht doppelt Freude.
Am Nachmittag hofften wir dann auf gute Aussichten in Tromsø, wo doch der erste Halt unserer Stadtbesichtigung die Seilbahn hinauf auf den Hausberg war. Dort oben hätte man bestimmt einen schönen Spaziergang machen können. Aber da es die ganze Zeit regnete, eilten wir nur kurz hinaus, genossen den Blick auf Stadt, Hafen und unser Schiff, und nahmen gleich die nächste Seilbahn nach unten.
Die Eismeerkathedrale (die zugleich die nördlichste Kathedrale der Welt ist) hatte immerhin den Vorteil, dass man in ihrem imposanten Inneren regengeschützt war. Das Interessanteste für mich war jedoch der dritte und letzte Stopp im Polarmuseum, das sich drei verschiedenen Themengebieten widmet: dem Stockfisch, der jahrhundertelang praktisch das einzige Exportgut Nordnorwegens war; den Polarlichtern, die jedes Jahr tausende Touristen in die Arktis locken und die Sami, die Ureinwohner Nordskandinaviens. Über sie hätte ich gerne noch mehr erfahren, denn die Ausstellung der Trachten brachte mich auf eine sehr persönliche Spur in die Vergangenheit (eine Trachtenpuppe, die mein Vater mir vor rund einem halben Jahrhundert aus Kopenhagen mitgebracht hatte). Doch unsere knapp drei Stunden an Land waren schon verflogen, und so ging es zurück an Bord unseres schwimmenden Zuhauses, wo uns zum krönenden Abschluss des Tages beim Abendessen ein riesiger Regenbogen erwartete.