Kurz vor acht Uhr überquerten wir am vierten Tag den Polarkreis, was uns eine entsprechende Durchsage und der Blick aus dem Fenster der Kabine verrieten. Sonst änderte sich erstmal wenig. Das Wetter blieb, wie es war. Morgens war es bewölkt und windig, aber weit weniger kühl als gedacht.
Dennoch hielten wir uns bei der Polartaufe vornehm zurück. Nicht nur, weil wir ahnten, das würde eine nasskalte Angelegenheit, sondern auch, weil wir inzwischen auch zu denjenigen an Bord gehörten, die sich hustend und schniefend mit einer Erkältung herumplagten. Und bei rund 400 Gästen an Bord war Deck 7, wo das Ganze stattfand, auch ohne uns reichlich voll.
Auch in Bodø, der europäischen Kulturhauptstadt 2024, in der wir später am Tag anlegten, blieben wir an Bord. Ob es am Regen lag, dass viele in der Gruppe, die mit einem der Schnellboote zu den Gezeitenstrudeln hinausfahren wollten, nicht ganz so glücklich aussahen, wie man hätte erwarten können?
Im Grunde genommen bräuchte man keine Ausflüge an Land zu machen, die Fahrt an sich ist wunderschön. Ständig ändert sich die Landschaft – je weiter im Norden, um so schroffer werden die Inseln, um so höher die Berge, einsamer die Gegenden, und doch gibt es auf vielen der Inseln und auch an den einsamsten Orten immer wieder Boote, Häuser, manchmal ganze Dörfer. Unmöglich, Ich kann mich jedenfalls sicher nicht daran sattsehen und wüsste auch nicht, wie man sich dabei langweilen sollte. Ob Himmel oder Meer, Inseln oder Küstenlandschaften, in jedem Moment gibt es so unendlich viel zu sehen.
Doch unsere beiden Ausflüge auf die Lofoten würde ich keinen Umständen missen wollen. Der erste von ihnen stand an diesem Abend an. Von Stamsund aus ging es mit dem Bus zum Lofotr Vikingmuseum. Stilecht kam unsere charmante Reiseführerin als Wikingerfrau daher, die uns in Deutsch und Englisch viel über die Lofoten, den Stockfisch und die Geschichte der Wikinger wie der Museums erzählte (und zwischendrin Norwegisch mit dem Busfahrer sprach, einfach bewundernswert!). Dank des Zufallsfundes eines Bauern haben Archäologen in Bøstad das größte, bekannte Langhaus ausgegraben und rekonstruiert – und dieses ist heute eine Art lebendiges Museum. Tagsüber kann man hier die Lebensweise der Wikinger erforschen, und abends mit ihnen feiern.
Ein solches Wikingerfest gefeiert zu Ehren des Abschieds des Häuptlings, der zu einer Seereise inklusive Handel mit den Samen im Norden und Beutezügen andernorts aufbrach, war der Höhepunkt unseres Besuches hier. Freundlicherweise sprachen die Wikinger Englisch, sonst wären uns Begrüßungsreden und Trinksprüche genau wie die Weissagung der weisen Frau (oder Hexe) und Abschiedsritual zwecks Segnung durch die Götter entgangen. Mehr noch, denn als dann das Essen aufgetragen wurde – stilecht auf Holztellern und mit Löffel und einem kurzen, spitzen Messer –, ging die erste Portion direkt an meinen Lebensmenschen und er wurde aufgefordert, vorzukosten. Während unser Gastgeber, der Wikingerhäuptling, erzählte, dass dies beim letzten Mal leider schief gegangen sei, schauten also alle zu, wie er vom Lammfleisch, den verschiedenen Wurzelgemüsen und dem Brot kostete. Dass er alles für gut befand, reichte jedoch nicht, erst musste ich noch bestätigen, dass er so dreinschaute wie immer, dann wurde das Essen für alle freigegeben. Dafür „musste“ ich nachher beim Kreistanz ums Feuer mitmachen.
Danach hatten wir alle noch Zeit, uns im Rest des Langhauses umzusehen. Bevor es mit dem Bus weiterging Richtung Norden. Bis wir gegen 22 Uhr in Svolvaer ankamen, war es dunkel geworden. Die Blicke in die erleuchteten Fenster der verstreuten Häuser, an denen wir auf unserem Weg vorbeikamen, hatten etwas ausgesprochen Heimeliges. Doch der Anblick der MS Richard With, die majestätisch und in voller Beleuchtung im Hafen erwartete, gab uns das Gefühl, nach Hause zu kommen.