Glauser-Gratulationen, leicht verspätet

Am letzten Wochenende waren sie der Höhepunkt der CRIMINALE, die dieses Jahr in Darmstadt stattfand: Die Verleihungen der Glauser-Preise für den besten Kurzkrimi, den besten Kinderkrimi, den besten Jugendkrimi, das beste Debüt und den besten Kriminalroman des Jahrs 2022. Ich konnte leider nicht vor Ort sein, nur indirekt mitwirken, indem ich die Vorlesetexte für die Bühne im Vorfeld auswählte. Hier nun leicht verspätet, aber nicht minder herzlich meine Gratulation an alle Gewinnerinnen und Gewinner!

Die Cover der Glauserpreisträger

Oliver Schlicks Kinderkrimi „Das Rätsel um Schloss Eichhorn“ ist Teil der Reihe mit Rory Shy, dem schüchternen Detektiv und es geht darin um einen Cold Case, einen Todesfall vor 25 Jahren, der sich nun als Mord entpuppt. Humorvoll und spannend aus Sicht von Matilda, der heimlichen Assistentin Rorys, erzählt, haben an diesem Buch sicher nicht nur Kinder Spaß.

Auch in Elisabeth Herrmanns „Ravna. Die Tote in den Nachtbergen“ geht es zumindest zunächst um einen lang zurückliegenden Fall an einem ganz besonderen Ort: Hoch oben im Norden, in den Sommerweidegebieten der Sami, verschwindet 2011 ein junges Mädchen. Elf Jahre später taucht ihre Leiche wieder auf und wirft Fragen auf, die die ohnehin bedrohte Gemeinschaft der indigenen Rentierzüchter auf eine geradezu tödliche Zerreißprobe stellt. Ein spannender Thriller um das Leben zwischen den Kulturen, Tradition und Moderne.

Sybille Ruges Debütroman „Davenport 160 x 90“ spielt in Frankfurt am Main und hat mit Sonja Slanski als Inkasso-Eintreiberin eine ungewöhnliche Hauptfigur & Ich-Erzählerin mit schnodderig-eigener Erzählstimme. Zuerst begeisterte mich deren Ton, trocken, sarkastisch, eine weibliche Noir-Variante bereit fürs 21. Jahrhundert, dachte ich. Bis ich das Gefühl bekam, ein einziger Ton macht keine Musik, sondern eher einen Tinnitus … selbst, wenn dabei eine spannende Geschichte erzählt wird. Denoch würde ich von Ruge als nächstes eher die Lyrik in die Hand nehmen als den nächsten Krimi.

Allein schon wegen der Sprache hätte Christiane Dieckerhoffs „Bescherkind“ den Glauser-Preis für den besten Kurzkrimi des Jahres verdient. Landschaft, Leute, Liebe, einen ganzen, in sich geschlossenen Kosmos erschafft die Autorin so auf wenigen Seiten. Ob man die atmosphärische dichte Erzählung eher als Tragödie rund um die Geschichte eines Verbrechens versteht oder als klassischen Kurzkrimi betrachtet, ist zweitrangig. Es ist schlicht gute, nein: außergewöhnlich gute Literatur und nur darauf kommt es an.

Bleibt also die Königsklasse, der Roman-Glauser. der in diesem Jahr wohlverdient für „Boom Town Blues“ an Ellen Dunne. Ein Dublin-Krimi mit deutsch-irischer Ermittlerin, einem österreichisch-persischen Ex-Sicherheitsdienstmitarbeiter, jeder Menge irischen Polizisten und dem fetten Kater am Ende des Booms, der so viele Menschen Häuser, Jobs, Leben kostete. Spannend, hintergründig, mit viel schwarzem Humor. Das muss man gelesen haben.

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