Opernnotiz

Irgendwann im April muss es gewesen sein. Endlich kam ich dazu, mir „Madame Butterfly“ im Essener Aalto Theater anzuschauen und natürlich auch anzuhören. Und was soll ich sagen? Man mag dem Bühnenbild (Alfred Peter) mit Obama-Konterfei die 12 Jahre ansehen, die seit der Premiere von Tilman Knabes Inszenierung vergangen sind, aber das Werk ist so frisch und berührend, als sei man bei seiner Entstehung anwesend.

Womöglich liegt das nicht zuletzt daran, dass sich kein Librettist auf die zugrundeliegende, gleichnamige Erzählung von John Luther Long gestürzt hat, sondern sich Puccini mit seiner Musik auf die entsprechende Tragödie von David Belasco stützt. Theaterautoren verstehen ganz offenkundig sehr viel mehr von stimmigen Figuren und packenden Handlungen als Menschen, die sonst Operntexte verfassen.

Wieso allerdings manch Zuschauer bei „Madame Butterfly“ exotischen Flair erwartet, gar Leichtigkeit und hübschen Schein, ist mir völlig schleierhaft, geht es doch letztlich um nichts anderes als die Ausbeutung einer so verzweifelten wie naiven jungen Frau, die zwischen zwei Kulturen, zwischen zwei Auffassungen von dem, was Liebe und auch Verpflichtung bedeuten, tragisch aufgerieben wird. Was mit einer Art inszenierten Fake-Hochzeit beginnt, an die niemand außer Cio-Cio San (Francesca Tiburzi) glaubt, ist sie doch für ihren amerikanischen „Gatten“ Pinkerton (Raffaele Abete) nichts als ein hübscher Zeitvertreib, endet geradezu zwangsläufig mit ihrem Tod. Und konsequenter, düsterer, als in dieser Inszenierung kann man das kaum enden lassen.

Die Musik auf dem Weg dahin jedoch strahlt in allen Gefühls- und Klangfarben, sie funkelt, schmeichelt, ist mal tragisch-ernst, mal geradezu spöttisch und bleibt wunderbar lang nach dem Schlussapplaus im Ohr.

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