Sommerabend im Grugabad, nachdem der Badebetrieb bereits geendet hat: der Wind, der am Himmel die Wolken vor sich hertreibt und unten nach Sonnencreme mit einem Hauch Chlor riecht, bringt willkommene Erfrischung auf dem ‚Sonnendeck‘ beim großen Becken neben der Tribüne, wo es sich eine beachtliche Zahl entspannter Menschen jeden Alters auf Bänken, Kissen, Decken gemütlich gemacht hat. Picknickflair trifft Festivalatmosphäre – Kunstbaden hat in der Tat etwas von „Essen seine Proms„, erst recht bei einem so vielseitigen Künstler wie Goran Kovacevic.
Schon bis hierher, rein um das Gefühl vor Ort einzufangen, erscheint mir die Sprache sperrig, unhandlich – doch beim Versuch, das, was Goran Kovacevic seinem Akkordeon in seinem Solo-Programm „His-Story“ entlockt, gerate ich vollends ins Schwimmen. Nicht nur, dass das Akkordeon wohl eines der wenigen Instrumente sein dürfte, das in sich die Möglichkeiten eines Orchesters birgt und dabei zugleich transportabel ist. Nein, obendrein bewegt sich Kovacevic sowohl spielend als auch komponierend so virtuos wie selbstverständlich durch Musikstile und -geschichte, dass mir sämtliche Worte dafür fehlen.
Mehr als eine Annäherung wird da, fürchte ich, nicht drin sein. Beginne ich also mit dem, was einfach scheint: „His-Story“ ist ein ungemein persönliches Programm, bei dem man so manches aus der Geschichte des Menschen dahinter kennenlernt, der die Inspirationen zu seinen Stücken und seine besondere Sichtweise der Musik mit dem Publikum teilt. Allein das schien mir schon ein Geschenk, so nah lassen die wenigsten Musiker, Komponisten uns andere sonst an sich heran.
Und so tief mit in die Musikgeschichte nimmt mich selten jemand mit. Wer hätte gedacht, wie nah sich Klassik und Weltmusik, Tango und Jazz, kommen können, dass es geradezu zwingende Brücken etwa zwischen Erik Satie und indischer Musik gibt oder allein, dass man Bach ganz hervorragend auf dem Akkordeon spielen kann! Wenn man dazu Kovacvics eigenen Kompositionen nimmt, dann drängt sich mir das Gefühl auf, der Mann atmet Musik wie ich Luft. Er schwimmt wie ein Fisch in den Traditionen, Stilen, Schulen; geht durchs Leben begleitet von all den anderen Komponisten, die ihn geprägt und inspiriert haben. Ich weiß nicht, woher das Bild kam, aber als er von seinen Reisen erzählte, sah ich förmlich vor mir, wie er am Abend ins Hotelzimmer zurückkehrt und erwartet wird von einer Handvoll Kollegen aus der Musikgeschichte, sozusagen.
Schräg-schön und wunderbar, welche Gedanken und Vorstellungen der gestrige Abend im Grugabad in mir weckte. Kunst mitten im Leben, nicht abgehoben auf irgendeinem Podest oder eingesperrt in ein Ghetto, sondern genau, da wo sie hingehört. Das ist die besondere Qualität der Reihe Kunstbaden, die Jelena Ivanovic ins Leben gerufen hat. In diesem Rahmen auf diese Weise einen wunderschönen Abend verbracht zu haben und durch Kovacevics Akkordeon der Musikgeschichte auf neue, andere Art begegnet zu sein, das war und ist ein echtes Geschenk.
Ich hoffe also, das Projekt, das er und Jelena Ivanovic andeuteten, wird sich alsbald realisieren lassen und dann vielleicht zu einem weiteren, wunderbaren Sommerabend auch für mich führen. 🙂
(Fotos (c) 2018 by E.O.)