Verlieren um zu finden

Am letzten Donnerstag war ich mal wieder bei Steffen Hunder auf der Krimi-Couch zur Benefizlesung. Diesmal wollte ich ein paar Dinge anders machen: zum einen nämlich endlich mal eigene Fotos und zum anderen nicht nur eigene Texte lesen. Aber, wie heißt es so schön? Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.

Meine papiernen Begleiter zum Besuch auf der 49. Krimi-Couch … leider nur nachträglich bei mir zuhause fotografiert

Ob mir der eisige Ostwind die Gedanken aus dem Hirn gepustet hatte oder ein kurzer Anfall Lampenfieber dort alles mit Watte zumüllte, jedenfalls vergaß ich nicht nur mein derzeitiges ‚Lesebuch‘ („Girl on the Train“ – schließlich weiß man ja nie, wie lang die Öffis so brauchen … erst recht nicht im Winter ;-)), sondern auch gleich noch meine Kamera. Und kaum war ich vor Ort, war ich von der ersten Sekunde an von all den herzlichen, offenen Menschen im Gemeindehaus in der Zwinglistraße so gefangen genommen (ja, nette Christenmenschen können das auch mit Krimiautorinnen der unkirchlichen Art ;-)), dass ich vergaß, ich hätte ja mit dem Handy fotografieren können.

Dann ging es auch schon gleich los, mit Kai & Axel, meinem bibelinspirierten Kurzkrimi, in dem ich vor allem der Frage gefolgt bin, wie könnte sich ein moderner Kain fühlen? Wie wurde er schuldig – und wie lebt es sich damit, dass ihn niemand dafür zur Verantwortung ziehen darf? Während diese Geschichte eher nachdenklich macht (und manchen erstmal irritiert, weil sie halt im Heute und lange nach dem Brudermord spielt), wurde es danach dann richtig lebhaft.

Juryarbeit ist ja sonst eher was fürs stille Kämmerlein, denn in vielen Literaturjurys gibt es nicht mal eine abschließende Sitzung, um den Preisträger zu finden, da geht alles per Mail und per Punkten oder dergleichen. Aber auf der Couch sprachen wir über die Glauser-Preise, die bekanntlich von Krimi-Autoren an Krimi-Autoren vergeben werden,  und das inklusive Jurytreffen samt Diskussionen. Wie kommt man in eine Jury, wer entscheidet das? Wie viele Bücher muss man lesen und liest man die alle? Wie findet man am Ende mit fünf (oder auch mehr) Juroren Nominierte und einen Preisträger, eine Preisträgerin, die alle Beteiligten überzeugten Es entstand ein reges Publikumsgespräch und mir wurde klar, das ist ein Thema, mit dem man einen ganzen Abend verbringen könnte, ohne dass einem der Gesprächsstoff ausgeht oder man über Interna reden würde, die nun mal nicht in die Öffentlichkeit gehörten.

Außerdem liebe ich es ja, nicht nur eigene Texte zu lesen – denn es ist immer wieder spannend, wie es den eigenen Blick auf einen fremden Text verändert, wenn man ihn laut liest und dies auch noch vor Publikum tut. Warum wir seinerzeit gar nicht anders konnten, als „Dreimäderlhaus“ von Beatrix Kramlovsky für den Kurzkrimi-Glauser zu nominieren, wurde so für mich noch einmal neu überdeutlich: in der Geschichte sieht nicht nur die Protagonistin Bertha Menschen als Musik, die Sprache der Geschichte ist Musik pur. Und auch Alexander Pfeiffers Schreibstil überzeugte mich erneut, dass wir mit seinem „Auf deine Lider senk ich Schlummer“ 2014 den Richtigen für den Glauser in der Sparte Kurzkrimi auswählten: ein leiser Sog, unwiderstehlich, wie Sucht und Liebe zusammen, so kommt seine Erzählung daher, erzählt in einer Sprache, die zugleich lyrisch und zurückgenommen, gewissermaßen dezent verdichtet ist. Und falls jetzt jemand denkt, Mist, würde ich gerne selbst lesen: einfach „Küche, Diele, Mord„, herausgegeben von Almuth Heuner, erschienen bei KBV in der Buchhandlung Ihres Vertrauens besorgen. Da stehen alle beiden Geschichten (und noch viel mehr, auch eine von mir …) drin.

Ach ja, da war doch noch was. Ich wollte mich nicht nur in meiner Begeisterung für die Geschichten meiner Kollegen verlieren und über die gelungene Krimi-Couch-Veranstaltung freuen, es ging doch ganz handfest ums Verlieren und Finden. Ich musste etwas früher weg, noch vor Ilse Storbs berühmt-berüchtigtem Pata-Pata und beim Kampf mit all den Kleiderschichten, die das Wetter erforderte, dazu Blumenstrauß und Bücher, blieb die Lesebrille unbemerkt zurück. Aber ich hatte Glück, im Gemeindehaus geht nichts wirklich verloren, und so konnte ich sie mir am nächsten Tag bei Steffen Hunder wieder abholen. In der Kreuzeskirche, für deren Er- und Unterhalt unter anderem die Benefizlesungen auf der Couch statt finden, die ich jedoch bislang noch nie in restauriertem Glanz von innen sah. So kam ich mit der verlorenen Brille zu einer geschenkten Privaführung und das ist doch ein nettes, kleines Alltagswunder. 😉

 

P.S.: Typisch und passend, dass ich beim Schreiben beinahe noch etwas vergaß: Im zweiten Teil werden auf der Krimi-Couch ja stets weitere Krimis vorgestellt und als geladener Gast kommt man in den Genuss einer Lesung primavista. Bei mir war’s wirklich einer, las ich doch aus Mike Steinhausens „Ruhrpiraten„. 🙂

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