Live-Animationsfilm – darunter konnte ich mir wenig vorstellen, bevor ich die gestrige Premiere von Metropolis als solch ein Film-Kunst-Theater erlebte. Wie das Medienkunstkollektiv sputnic mit ein paar Overheadprojektoren und vier Schauspielern Fritz Langs Film nach Thea von Harbous Buch zum Leben erweckt und dabei das Ganze intelligent zu unserer heutigen Situation in Beziehung setzt, das muss man selbst gesehen haben – auch dann, wenn man keine Filmwissenschaftlerin und Stummfilmliebhaberin wie ich ist, ja möglicherweise noch nicht einmal Science-Fiction-Fan. Denn die Frage nach der Gerechtigkeit, nach dem Ausgleich zwischen oben und unten, arm und reich und die nach der Macht, ob der des Geldes oder der der Maschinen, die habe ich selten so poetisch in schwarz-weiß auf den Punkt gebracht gesehen.
Rein technisch betrachtet bilden zwei Dinge die Basis des Abends: das eine ist Metropolis, der Roman von Thea von Harbou und mehr noch dessen Verfilmung durch Fritz Lang 1926. Der erste abendfüllende Science-Fiction, der Film, der bis heute unsere Vorstellung von futuristischer Architektur prägt, erzählt ästhetisch höchst modern, innovativ, geradezu avatgardistisch die (zugegeben kitschige) Überwindung des Gegensatzes von Arm und Reich, die Versöhnung von Kapital und Arbeiterschaft, wenn man das so will. „Die Verbindung zwischen Hirn und Hand muss das Herz sein“ – diese Quintessenz des Films sagt alles und reicht Regisseur Nils Voges und den anderen sputnics natürlich nicht mehr, ganz und gar nicht. Das zweite Grundelement des Abends sind die schwarz-weißen Zeichnungen von Elena Minaeva und Julia Zejn – wie Teile eines Storyboards, mal skizzenhaft, mal detailliert, oft klar und doch poetisch wie Schattenrisse. Die Schauspieler – Alexey Ekimov, Kerstin Pohle, Sven Seeburg und Aless Wiesemann – verleihen den gezeichneten Figuren ihre Stimmen und animieren dazu die Zeichnungen. Münder klappen auf und zu, Augen blinzeln, Figuren bewegen sich in den gezeichneten Räumen, etc.
Als Zuschauer ist man hin- und hergerissen: wo soll man zuerst hinschauen? Auf die Schauspieler im Raum, einer wie der andere wandlungsfähig, die beiden Frauen dazu noch hinreißende Sängerinnen, kein Wunder, ist doch Kerstin Pohle ausgebildete Opernsängerin? Oder doch auf die weißen Kachelwände“, die immer wieder zu Leinwänden werden? Schattenspiele, bezaubernd, poetisch und zugleich geradezu archaisch – zumindest für mich warf diese Ästhetik die Frage auf, ob tanzende Schatten auf Höhlenwänden nicht der Beginn des Dramas waren, in vorgeschichtlicher Zeit das Kino vorwegnahmen – und eben noch viel mehr als das. Ein Stück, das man sicher mehrfach anschauen könnte. Wenn man denn das Glück hat, Karten für eine der fünf weiteren, geplanten Vorstellungen Karten zu bekommen.