Schon als Kind gehörte es für mich zu den wundersamsten Fragen, wie es die Menschheit wohl hinbekommen hat, im Lauf der Geschichte Pi gleich zwei Mal zu vergessen und dann mühsam wiederentdecken zu müssen. Heute früh wurde mir klar, das geht ganz leicht, denn was man nicht nutzt, vergisst man – selbst dann, wenn’s eigentlich wesentlich für einen selbst ist. Als ob man plötzlich einen blinden Fleck entwickelt, inklusivem blinden Fleck für den blinden Fleck.
Zwei Dinge sind wesentlich für meine Art zu schreiben: Zum einen sollte ich gleich morgens damit anfangen, sonst komme ich vor lauter anderer Arbeit und Ausreden den ganzen Tag nicht dazu. Zum anderen fahre ich am besten, wenn ich an zwei verschiedenen Projekten parallel arbeite, denn dann kann ich nach hin und her wechseln, statt mich erst in eine Ecke zu schreiben und dann dort wehklagend vor lauter Selbstzweifeln hocken zu bleiben.
Dennoch brauchte ich Wochen, ja Monate, bis mir klar wurde, das heißt doch auch, dass meine Morgenschreibstunde keinesfalls für Belletristisches reserviert sein muss. Kreativität braucht’s schließlich auch, wenn’s um Vorträge oder Sachtexte geht, und schreiben ist schreiben. Schließlich bin ich doch die, die weder auf die Frage „Wie lange hast Du für Deine Magisterarbeit und/oder Deine Doktorarbeit gebraucht?“ noch auf „Wie lange hast Du an den Fernsehdrehbüchern gesessen?“ Antworten hatte. Weil ich die beiden wissenschaftlichen Arbeiten und die ersten drei Drehbücher parallel zueinander schrieb – in fünf Jahren. Zusammen mit ungezählten Skizzen, Exposés, Artikeln und anderem Kleinkram.
Jetzt habe ich genau das für mich wiederentdeckt, nachdem ich monatelang ein schlechtes Gewissen hatte, weil ich einem Kollegen Sachtexte zum Thema Literatur & Schreiben versprochen hatte, aber einfach nie dazu kam. Weil immer was anderes war. Weil ich morgens doch auf Biegen und Brechen Fiktionales fabrizierte. Bis ich da mal wieder auf eine Frage stieß, die unbestimmte Zeite im Unterbewusstsein zwischenlagern muss, bevor ich sie beantworten kann. Plötzlich war die ganze Morgenschreibmaschine knapp vorm Entgleisen. Bis mir einfiel, da war doch noch was …
Und so schreibe ich nun morgens fröhlich übers Schreiben, außer, ich habe gerade was Wichtiges in Sachen Belletristik festzuhalten. So oder so, es geht weiter und ich beginne jeden Tag mit einem guten Gefühl. Genau wie vor einem halben Leben, als ich entdeckte, dass das Parallelschreiben genau mein Ding ist …
Das ist dann also mein Pi. Drückt mir die Daumen, dass ich das kein zweites Mal vergesse und dann mühsam wiederentdecken muss. ;-))