Nachdem mich heute morgen meine Neurologin mit Blick auf meinen Migränekalender erstaunt fragte, „Was heißt denn Wagner?“, wird es höchste Zeit, über meinen Besuch von Tristan und Isolde im Aalto-Theater zu schreiben. Denn abgesehen von der äußerst lästigen Migräne, die das mit sich brachte, war es ein überwiegend sehr schöner Abend, der allerdings bereits beinahe zehn Tage zurück liegt.
Aber der Reihe nach – oder: beginnen wir bei den Äußerlichkeiten. Das Bühnenbild (Klaus Grünberg) basiert darauf, den größten Teil der riesigen Aaltobühne im Dunkel zu belassen und jeweils nur einen Würfel als Minibühnenraum zu nutzen und sichtbar zu machen. Im ersten Akt unterstreicht die beklemmende Enge einer überfüllten Schiffskabine des frühen 20. Jahrhunderts, dass Isolde hier nicht freiwillig ist – erst erschlug Tristan ihren Verlobten, dann freite er sie für König Marke. Sie will sich rächen, will Tristan und sich selbst mit einem Elixier ihrer Mutter töten, doch ihre Zofe Brangäne vertauscht den Todes- gegen den Liebestrank. Im zweiten Akt markiert der weiß ausgekleidete Würfel, der sich um sich selbst dreht, dass sie zwar immer noch gefangen in den Konventionen sind, doch dass die verbotene und zugleich unauslöschliche Liebe ihrer beider Welt aus den Angeln gehoben hat. Das endet, wie es enden muss, mit Verrat, Entdeckung und einem beinahe tödlichen Kampf. Im dritten Akt schließlich gibt es nicht mehr nur den Würfel, der hier ein Zimmer in der Burg Tristans ist, den Kurwenal hierher rettete, sondern auch die Weite der dunklen Bühne drumherum, die die Ankunft der heilkundigen Isolde erhofft und erwartet. Die jedoch zu spät kommt, sonst wäre es ja keine Tragödie und kein Stoff für Wagner, und wohl auch kaum für so viele die „ultimative Oper“, zumal der geneigte Zuschauer ausgerechnet den Liebestod in all seinen musikalischen Facetten (musikalische Leitung: Frank Beermann) missen müsste …
Beinahe vier Stunden braucht es, um all das in der Insznierung von Barrie Kosky von 2006 auf der Bühne und im Orchestergraben auszubreiten. Mit den beiden Pausen kommt man so leicht auf fünf Stunden – und in der Dauer liegen zwei Gründe, warum diese Oper für mich ein potenzieller Migräneauslöser ist: langes Stillsitzen im Saal verstärkt vorhandene Nackenverspannungen und mit Pausenbrezeln kommt mein seltsames Hirn nicht über die ausgelassene Mahlzeit hinweg – erst recht nicht, wo es in der Zeit so viele musikalische Eindrücke und Emotionen zu verarbeiten hat.
Dabei fiel mir wieder auf, dass ich Wagners Ouvertüren und seine reinen Orchesterpartien sehr schätze, ich aber beim Gesang nicht immer mitkomme, sozusagen. Während bei dieser Oper alles Instrumentale spannende, berührende, interessante Strukturen hat; mich oft an Film und teils sogar verblüffend an Jazz erinnerte, stehe ich in gewissen Momenten dem Gesang etwas verloren gegenüber. Dann erschließt sich mir weder das Zusammenspiel von Stimme und Instrumenten oder Stimme und Stimme so recht, noch vermag ich den Bogen der Melodie zu erkennen. Was, zugegeben, sich weder auf diese Oper noch auf Wagners Werke beschränkt, weshalb ich die nächste Oper kaum erwarten kann, um dann vielleicht noch ein Stückchen mehr zu begreifen, was da passiert.
Mein Abenteuer Oper geht also weiter – und das sicher auch bei Gelegenheit mit mehr von Richard Wagner. 🙂
P.S.: Ich hätte gerne auch etwas zu den Sängern geschrieben, aber da die Besetzungsliste bei Vorstellungen des Aaltos unmittelbar nach dem Verklingen des letzten Akkords aus dem Netz verschwinden, ist das leider nicht möglich …