Zwei Königinnen sind eine zuviel, das wäre die knappste Formel, auf die man den Konflikt zwischen Elisabeth I. und Maria Stuart bringen könnte. Dabei geht es um Fragen von Macht und Moral, Legitimität und Religion und nicht zuletzt auch darum, wie mächtige Frauen von Männern – wie etwa Friedrich Schiller – gesehen werden. Gerade zu diesem Aspekt hatte ich mir den einen oder anderen neuen Gedanken von Anna Bergmanns Inszenierung von Maria Stuart erhofft, die gestern am Essener Grillo-Theater Premiere feierte.
Doch Gedanken sind sicher nicht das, was Bergmann bei Schiller liest, sonst würde sie seinen Text ja nicht dermaßen beschleunigt runterspulen lassen, dass man ihn stellenweise nicht mal mehr versteht. Gefühle interessieren womöglich schon eher: Macht korrumpiert und macht pervers – weshalb die herrisch-böse Königin Elisabeth wohl zur Masochistin werden ‚muss‘, während die kopflosen und gelegentlich recht blassen Herren der Schöpfung auf Marias Schönheit ohnehin nicht mit der grauen Masse zwischen ihren Ohren reagieren, so dass ihre Vergewaltigung durch Mortimer Regie und Dramaturgie womöglich geradezu unvermeidlich schien. Oh je, banaler, vorhersehbarer ging es nicht?
Es gab doch Ansätze zu Besserem. Florian Ettis so bewegliches wie monumentales Bühnenbild etwa, auf dem sich zwei gigantische Rahmen aus schwarzem Marmor wie ein dunkles Mausoleum der Macht, ein Gefängnis aus Konvention und womöglich auch Schicksal umeinander drehen – das ist doch kein schlechtes Bild für das Dilemma, in dem die beiden stecken: Elisabeth kann Maria weder die Freiheit schenken noch das Todesurteil einfach so vollstrecken lassen, ohne sich selbst als Königin zu beschädigen. Doch in dieser Inszenierung verkommt es zum Dauerkarussell, wo viel Aufwand um wenig Inhalt getrieben wird, sich gewissermaßen alles um Nichts dreht.
All die vielen Mittel, die Musik, die Soundteppiche, die Videos, die verschiedenen Zeiten und Stilen entlehnten Kostüme, die teils endlos langen Kämpfe – um was zu zeigen? Worum geht es für Bergmann hier? Was hat sie etwa dazu bewogen, Marias Hinrichtung per Todesspritze als Video auf die Bühne zu holen – und dabei einen so aufgesetzten, unglaubwürdigen Todeskampf Marias zu zeigen, dass man als Zuschauer sofort an (schlechte) YouTube-Darbietungen denken muss?
Zwei Dinge ziehen mich stets aufs Neue ins Theater: die Neugier auf die Lesart der Regie und der Wunsch, mich von der Bühnenkunst berühren zu lassen. Gestern Abend fand ich einige ästhetisch gelungene Bilder, hart arbeitende Schauspielerinnen und Schauspieler und zwei Erkenntnisse: „God Save the Queen“ ist ein echter Ohrwurm und Schillers Text trotz allem kaum totzukriegen. Wer hätte das gedacht …