Es ist ein bisschen peinlich, aber wahr, obwohl es wie kalkulierte Ironie des Schicksals anmuten mag: Es sind bereits 14 Tage seit der Premiere von Jelena Ivanovics Stück Wahrteraum in der Maschinenhalle auf dem Gelände der Zeche Carl vergangen. Das einzige, was mich etwas über meine Trödelei hinwegtröstet – die nächste Vorstellung gibt es erst am 20. Juni im Rahmen von ExtraSchicht. Und wenn Sie sich auch nur im Entfertesten für zeitgenössisches Tanztheater und (mehr oder minder) moderne Mythen interessieren, sollten Sie sich rasch eine Karte besorgen.
Wo sind die Heldenfiguren und Idole, wenn sie gerade nicht in unseren Köpfen herumspuken, nicht in einem Film mitspielen oder uns sonstwie bezaubern? Und wie könnte der Alltag dieser lebenden Mythen wohl aussehen? Diesen und ähnlichen Fragen folgt Jelena Ivanovic am Beispiel Schneewittchens (Irene Melanie Ebel), Romeos (Damiaan Bartolomeus Veens), Mephistos (Justo Moret) sowie Marlene Dietrichs (Sabina Stücker) und der Callas (Eva-Maria Falk) – und wir als Zuschauer folgen ihr als Erzählerin und ‚Führerin‘ durch die Choreografie und übers Zechengelände.
Ein spannender Abend mit vier TänzerInnen und einer Sopranistin, ein Abend, der einem endlich mal erklärt, was man wirklich mit Lilifeezelt und Ken-Puppen sinnvolles tun kann, ein Abend voller Entdeckungen — und das, wo man doch erstmal denken könnte „Warten, wie langweilig!“ Doch genau darin liegt die Kunst – das Warten samt seiner Eintönigkeit, seiner Wiederholungen, seiner Stagnation so darzustellen, dass es spürar wird, miterlebbar, schön und sogar letztlich mitreißend.
Berührend zu sehen, wenn Romeo, der Liebende schlechthin, versucht, sich der unnahbaren Callas zu nähern – er wieder und wieder neue Anläufe nimmt und sich vom Scheitern nicht abhalten lässt.
Oder die eigenartige Einsamkeit Schneewittchens, das sich in einer Art fortgesetztem Selbstgespräch befindet (wenn es nicht gerade mit einem der sieben Kens … nein, das wird nicht verraten, das müssen Sie schon selber sehen), aus dem es Mephisto nur für einen einzigen Tanz herauszuholen vermag.
So vieles gibt es zu sehen und zu entdecken in diesem Stück. Wenn man sich darauf einlässt. Und am besten so gekleidet ist, dass man locker auch einen Spaziergang im „Park“ mitmachen kann, ohne mit High Heels irgendwo stecken zu bleiben … achten Sie also auf passende Kleidung. Und die nächsten Termine im Maschinenhaus. 🙂