Dass ich an sich kein allzu große Fan von Whodunnits bin, ist kein Geheimnis. Dass ich gelegentlich dennoch den einen oder anderen solchen mit Genuss lese, könnte man mithin als Ausnahme von der Regel ansehen. Edmund Crispins The Case of the Gilded Fly war nicht nur eine Freude zu lesen, der Roman hat mir auch klargemacht, was mich an den meisten Rätselkrimis stört – und was es braucht, damit ich trotzdem Spaß bei der Lektüre habe.
Aber der Reihe nach. Ursprünglich erschien dieser erste Fall mit dem Amateurdetektiv und Literaturprofessor Gervase Fen 1944. 1940 in Oxford angesiedelt spielt die Geschichte zum Teil an der berühmten Universität, noch mehr jedoch im Milieu des Repertoiretheaters der Kriegsjahre. Eine Schauspielerin wird unter mysterösen Umstände umgebracht, was niemand emotional berührt, war sie doch eine durch und durch unangenehme Person und überdies in ihrer Kunst alles andere als sonderlich begabt. Was in Woody Allens Bulletts Over Broadway schon an sich als Motiv taugt – dort bringt der zum Bühnenliebhaber und Mitdramatiker gewordene Mafiakiller die unbegabte Braut seines Bosses um, damit sie nicht die Kunst beschädige -, ist hier der Hintergrund der Mörderjagd. Oder vielmehr: Fens Grund, die Entlarvung des Mörders solange aufzuschieben, bis die Uraufführung samt 23 Vorhängen über die Bühne gegangen ist. Ja, hätte der Mörder nicht zudem noch den Organisten des Colleges umgebracht, hätte er ihn womöglich entkommen lassen …
Was mich an dem Buch fasziniert hat, ist die Genauigekeit, mit der Crispin die verschiedenen Milieus schildert – ob die Unwägbarkeiten und Launen der britischen Eisenbahn, Kriegsnebenwirkungen wie Verdunkelung oder immer jüngere Studenten und vor allem die der Produktionsbedingungen des Theaters dieser Zeit. Crispin ist nicht einfach um Realismus bemüht, er schreibt mit so viel Literatur- und Theaterkenntnis, hat so viel Spaß an Sprachbildern und -spielen, dass ich sofort bereit bin ihm zu verzeihen, dass die meisten Figuren nichts als Notwendigkeiten des Plots sind. Ja, es kratzt mich beinahe nicht einmal, dass das Motiv des Mordes gewissermaßen der Red Herring par excellence ist – ein rotes Notizbuch, über dessen den Mörder inkriminierenden Inhalt selbst der geniale Detektiv nur spekulieren kann, weil es bis zum Schluss verschwunden bleibt. Nur dass der Mörder am Ende angeschossen auf der Bühne liegen bleibt, wo ihn die Geliebte des Organisten mit dem Eisernen Vorhang zerquetscht, ist – nun, sagen wir: höchst unrealistisch bis irritierend. Denn eiserne Vorhänge im Theater fahren unglaublich langsam, so dass man eigentlich schon tot sein muss, um dem nicht mehr entkommen zu können.
Dennoch hab ich das Buch sehr genossen. Es mag ein Whodunnit sein, dessen Rätselei vollkommen an mir vorbeigeht – ich lese Bücher nun mal nicht als Ploträtsel, nur auf Hinweise achtend, Details extrahierend, so etwas langweilt mich -, aber als originell geschriebene Erzählung, als Zeit- und Milieuschilderung, als Stückchen Literatur über die ganz große und auch die kleine Bühnenliteratur ist es sehr lesenswert. 🙂