Die Girls & Boys vom Kit Kat Club sind große Klasse, ebenso die Band. Die Bühne gibt sich aufwändig als Kreuzung aus einem hochfahrbaren Zylinder, einer kreisrunden Stripbühne und einer minimalistischen Showtreppe, was gut zum erotisch-offenherzigen Flair Berlins in den Endzwanzigern des vorigen Jahrhunderts passt. Sally Bowles (Janina Sachau) hat eine gute Stimme, gewiss, und der Conferencier (Jan Pröhl) spielt und singt sich die Seele aus dem Leib. Allein … ein Ganzes aus all den Zutaten zu machen, das ist Regisseur Reinhardt Friese mit seiner Cabaret-Inszenierung in meinen Augen nicht gelungen. Jan Pröhl und die Girls & Boys vom Kit Kat Club (Foto: Birgit Hupfeld)
Ich weiß, ich weiß. Die lokalen und regionalen Medien überschlugen sich anlässlich der Premiere im Grillo-Theater förmlich. Bereits davor waren die Vorstellungen bis weit ins Frühjahr hinein ausverkauft. Was dafür spricht, dass das Stück an sich, dieses Musical mit seinem Mix aus 20-Jahre-Retro-Schick, aus Erotik und Romantik, aus Unterhaltung und dem kalten Hauch der realen Vernichtung all dessen durch die Nazis allein bereits ausreicht, um das Haus voll zu machen.
Nicht, dass ich was gegen volle Theater hätte, ganz im Gegenteil. Und amüsieren darf sich ohnehin jeder nach seiner Fasson. Was aber an dieser Inszenierung die Begeisterung auslöst, bleibt mir schleierhaft. Musste man aus dem Conferencier wirklich eine Hitler-Göring-Goebbels-Karikatur mit übergroßem Seitenscheitel, gewaltigem Schmerbauch und Hinken machen? Hätte man Herrn Schultz und Fräulein Schneider nicht auch weniger hölzern anlegen können? Wieso wurden viele Songs dermaßen zerdehnt, mit drei-, vier-, fünffachen Enden gebaut? Und wer um Himmels Willen applaudiert nach „Der morgige Tag ist mein“ – hervorragend gesungen von Marieke Kregel als Fräulein Kost und Stefan Diekmann als Nazi Ernst Ludwig, das schon, aber war irgendwas an dem Text bzw. dem Kontext unklar?!
Nun ja. Das Publikum war am Ende schier aus dem Häuschen. Und ich sag ja immer, ich mag Fragen lieber als Antworten … und, so ungern ich es zugebe, die Ohrwürmer dieses Musicals hängen mit noch heute, zwei Tage und eine Oper später, im Gehörgang … 😉